Nach dem starken Knick im Business-Event-Geschäft zeigen sich neu gedachte Event-Formate als der starke Motor im Markt: „Besonders hybride Events kristallisieren sich als einer der zukunftsfähigen Treiber für Business Events heraus“, heißt es im aktuellen Meeting- & EventBarometer 2021/2022“ der drei führenden Verbände GCB German Convention Bureau, Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) und EVVC Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren. Von allen 68,4 Millionen Menschen, die 2021 ein Business-Event vor Ort besuchten, nahmen 50 Millionen an einer reinen Präsenzveranstaltung teil, 18,4 Millionen an einem hybriden Format. Das sind zehnmal mehr als noch im Jahr 2020 (1,8 Millionen).
Hybride Events, das ist der Mix aus Präsenzveranstaltung und virtuellem Event, die Kombi von Onsite und Online. Ein Teil der Besucher kommt an einem physischen Ort zusammen, der andere wird von überall in Echtzeit virtuell integriert. „Den Begriff des hybriden Events gibt es schon seit einigen Jahren“, erklären Experten auf der Eventmanagement-Plattform Xing Events. „So richtig Fahrt nahm der virtuelle Part inklusive Interaktion allerdings erst mit der Corona-Pandemie auf.“ Denn bei diesem Format konnte sich eine Handvoll Menschen offline in einer Location versammeln und Hygiene- und Abstandsregeln einhalten, gleichzeitig hatte ein virtuelles Publikum über das Internet Zugang. Unterm Strich blieb die Anzahl der Teilnehmenden oft zumindest gleich.
Einfach in Hybrid übertragen, das funktioniert nicht
Und so probierten viele Unternehmen in den vergangenen ein, zwei Jahren das innovative Format auf Messen, für Kongresse und Tagungen, als Workshops, Jahreshauptversammlungen, Pressekonferenzen oder auch im Tagesgeschäft als Abteilungsmeetings aus. Und lernten dabei natürlich häufig auch einige „Kinderkrankheiten“ der Event-Technologien und Stolpersteine von Kombi-Konzepten kennen.
Manche hatten technisch noch nicht aufgerüstet, da war dann beispielsweise die Netzverbindung für virtuelle Remote-Besuche am 3D-Messestand nicht stabil genug. Oder das früher so erfolgreiche Business-Event-Format wurde einfach eins zu eins auf das Online-Publikum in die Homeoffices übertragen. Das funktioniert nur selten gut, denn die Bedürfnisse der Teilnehmer vor dem Monitor zu Hause sind andere als die vor Ort mit Kaffeepause, Smalltalk & Co. Atmosphäre und Voraussetzungen sind eben völlig unterschiedlich.
Virtuell ist nie zu weit
Denn genaugenommen handelt es sich bei einem hybriden Format um zwei Events, die konzeptionell und technisch geschickt verwoben werden. Und genau darin stecken interessante Vorteile, die viele Unternehmen trotz Erstanwender-Pannen nicht mehr missen mögen. „Hybride Formate verbinden die Stärken virtueller Veranstaltungen mit der besonderen Atmosphäre persönlicher Begegnungen“, erklärt Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstands der DZT. „Zugleich kann über digitale Vernetzung der Wirkungsradius von Events vergrößert werden, ohne den CO2-Fußabdruck durch stetig wachsendes Reiseaufkommen zu erhöhen.“
Weniger Speaker oder Teilnehmende, die einfliegen, geringere Reisekosten – Nachhaltigkeit steht auf der Liste der Vorteile von hybriden Events weit oben. Auch Flexibilität. Nicht nur, weil die Gäste jetzt wählen können, ob sie vor Ort dabei sein möchten oder zwei Stunden virtuelle Teilnahme in ihren randvollen Terminkalender dazwischen schieben. Sondern auch, weil sich hybride Events besser an Widrigkeiten wie gecancelte Flüge, Reisebeschränkungen oder verschobene Branchen-Events, die den Rahmen bieten sollen, anpassen lassen. Für Online-Gäste muss das Eventteam keine Hotelzimmer stornieren oder umbuchen. Als Plus gilt die insgesamt realisierbare Teilnehmerzahl. Vor-Ort-Veranstaltungen haben räumliche Obergrenzen, und je nach aktuell gültigen Corona-Bestimmungen auch starke Bestuhlungs-Limits. In puncto Hygiene- und Abstandsregeln sind Veranstalter mit dem virtuellen Publikum auch bei einer neuen Corona-Welle generell auf der sicheren Seite. Gleichzeitig erschließt die elastische Reichweite neue Kreise, all jene zum Beispiel, die bisher aus Zeit- oder Budgetgründen nicht anreisen konnten oder wollten, vielgefragte internationale Top-Speaker aus den USA womöglich oder Kunden aus Asien. Virtuell ist bekanntlich keine Region der Welt mehr fern. Hybride Events brauchen nicht mehr Platz als einen Eintrag im Outlook-Kalender und lassen sich mit wenig Aufwand nutzen.
Planung ist doppelt so wichtig
Vorausgesetzt, die komplexe Planung stimmt. Denn so wichtig Vorbereitung und Konzept für eine Firmenveranstaltung ohnehin schon sind, bei hybriden Formaten ist die Planung quasi doppelt wichtig. Dafür können sie dann aber auch ganz unterschiedliche, spannende Formen annehmen. „Das Spektrum reicht von der einfachen, ins Internet gestreamten Vortragsreihe ohne Publikumsbeteiligung bis hin zur mehrtägigen, an mehreren physischen und virtuellen Orten gleichzeitig stattfindenden Fachkonferenz mit online unterstützter Vor- und Nachbereitungsphase“, schreibt das Fachmagazin für Digitales „D3 – so geht digital“.
Eine Kernfrage ist deshalb: Welche Art von Veranstaltung soll es sein – und auf welches Ziel ist sie ausgerichtet? Davon hängt zum Beispiel die notwendige Technik ab. So kann für eine kurze Ansprache als Motivation-Stand-up des Vorstands ein einfacher Livestream mit ein oder zwei Kameras ausreichen. Kommt Interaktion ins Spiel, ist die Zielsetzung bereits eine andere. Hier sind mehrere Blickwinkel einzufangen. Und mit der Schaffung virtueller Räume wie etwa 3D-Messestände skaliert die Komplexität. Die Planung muss buchstäblich verschiedene Dimensionen und Erlebniswelten verbinden – organisatorisch, technisch, inhaltlich und zeitlich. Ein Tag real auf einem Kongress ermüdet anders als acht Stunden vor dem Monitor. Viele steigen gedanklich lange vorher aus. Oder ist die Teilnahme der virtuellen Gäste nur für ein bestimmtes Zeitfenster gedacht? Das befreit die Agenda vielleicht auch von Umräum-Aktionen oder hilft, verschiedene Zielgruppen gezielt in einen rappelvollen Programmablauf zu integrieren. Bei hybriden Events sollten Ziele deshalb möglichst noch detaillierter formuliert werden als bei reinen Präsenzveranstaltungen üblich.
Interaktionen wirken on- und offline anders
Nicht alles, womit Firmen auf ihren etablierten Offline-Events bisher punkteten, wirkt online auf dieselbe Weise. Der Klassentreffen-Charakter von jährlichen Kongressen beispielsweise mit informellen Gesprächen, Kaffeepausen und lockeren Aufwärmrunden ist ein Präsenz-Effekt. Umgekehrt lässt sich auch nicht jede Online-Komponente in die Wirklichkeit holen, der Zoom auf das Produkt-Detail etwa. Online lassen sich Gegenstände schnell mal in die Kamera halten. Oder der parallele Chat zur Übertragung, auch eine rein virtuelle Komponente.
Welche Formen der Interaktionen sind also gewünscht? Und an welcher Stelle sollen die dazu geschalteten Teilnehmer eingebunden werden? Wie lassen sich unterschiedliche Elemente verknüpfen? Fragerunde nach jedem Vortrag mit zwei Moderationen, die sich vor Ort und auf dem Online-Kanal gegenseitig die Bälle zuspielen? Networking-Phasen, Poster-Sessions oder von vornherein ein agiler Barcamp-Ansatz?
Technische Tools und Funktionalitäten gibt es dafür jede Menge, Whiteboards, Mindmaps oder virtuelle Vorlagen für Design Thinking beispielsweise. Auch lassen sich die Gäste via Link oder QR-Code zum Mitmachen oder Abstimmen einladen, per Matchmaking-App zusammenbringen oder auf digitalen Weltkarten Anknüpfungspunkte fürs Kennenlernen finden. Nicht von ungefähr wird übrigens ein Chat-Kanal auch Emotional-Chat genannt, weil er direkte Reaktionen des Publikums transportieren und Stimmungsbilder einfangen kann.
Pausenfüller: Kochbox statt Gala-Büffet
Was aber machen die virtuellen Gäste, wenn die Teilnehmer vor Ort eine lebendige, abwechslungsreiche Pause haben oder ein Buffet genießen? Vielleicht gibt es für sie per Lieferservice ein Lunchpaket oder als Parallel-Sequenz im Meeting-Design eine virtuelle Kochstunde, Zutatenbox inklusive? Die eigentliche Kunst ist es, beide Welten hybrid im Meeting-Design zusammenzuführen. Eine hilfreiche Überlegung: Welche Welt dominiert? Ist Vor-Ort womöglich nur ein kleines Experten-Team zugegen, das 500 zugeschalteten Interessierten ein Thema näher bringt? Oder ist es eher umgekehrt? Je nachdem wirken Tools unterschiedlich, es entfaltet sich eine andere Dynamik.
Das beste Hybrid-Konzept funktioniert allerdings nicht, wenn die technische Auslegung und Ausrüstung sowie das Drumherum nicht stimmen. Offline zählt dazu beispielsweise die Location. Schöne, weite und helle Räume können wunderbar sein, möglicherweise aber auch schwer gleichmäßig auszuleuchten. Ecken und Nischen, Baulärm vor der Tür? Knifflig für die Akustik. Immer mehr Firmen haben sich inzwischen eigens hybrid-taugliche Event-Räumlichkeiten eingerichtet, mit Kameras, Mikrofonen, Übertragungstechnik, Akustik-Panels, modularem Mobiliar, Green Screens, in die sich beliebige Hintergründe einspielen lassen und vielem mehr. Der Steckverbinder-Konzern Harting beispielsweise sendet, streamt, moderiert und veranstaltet inzwischen selbst aus dem Harting Forum, einer für hybride Events ausgerüsteten Halle auf dem Werksgelände.
Erfolgsfaktoren: Location und Technik
Das erforderliche Equipment ist zugleich einer der Nachteile von hybriden Events, denn Technik und räumliche Ausstattung kosten. Welche Ausstattung erforderlich ist, orientiert sich an Konzept und Zielsetzung. So kann der Lichtbedarf für hybride Veranstaltungen ganz unterschiedlich sein. Für Online-Teilnehmer reicht womöglich die Schreibtisch-Lampe, vor Ort kann ein komplexes Beleuchtungssystem erforderlich sein.
Ansteckmikrofone für die Speaker, Studiomikrofone für die Fishbowl oder Fragerunde, und wer soll für wen dabei sichtbar und zu hören sein? Akustisch, visuell oder auch per Chat? Sollen die Social-Media-Kanäle ebenfalls bespielt werden? Und auch der Datenschutz spielt eine wichtige Rolle: Sind alle Teilnehmenden mit Aufnahme von Bild und Ton und der Veröffentlichung einverstanden?
Viele Anbieter haben sich auf Veranstaltungs-Software und Streaming-Lösungen spezialisiert. Plattformen haben oft verschiedene Funktionalitäten für hybride Interaktionen oder auch klassische Eventmanagement-Aufgaben wie Registrierungs-Tools integriert. „Die Plattformen haben sich weiterentwickelt und so auch die Möglichkeiten auf einem Online-Event“, erklärt Katrin Taepke vom Portal MICEstens. Im Kern geht es jedoch nach wie vor darum, Inhalte zu streamen und Interaktionen hinzuzufügen. Laut Computerwoche gilt es bei Event-Plattformen inzwischen als Standard, dass Veranstaltungen mehrere Bühnen und Räume haben können, zwischen denen die Teilnehmenden gegebenenfalls hin- und herwechseln. Aufzeichnungen ermöglichen es, Verpasstes nachzuholen. Wer auf einem hybriden Event Onsite- und Online-Gäste zusammenbringen will, braucht auf jeden Fall Networking-Features. Als Pflicht im Kriterienkatalog gilt die Stabilität der Plattform, auch ein hoher Besucheransturm sollte möglich sein.
Voraussetzung: Moderne Konferenztechnik
Hybride Events erfordern in der Regel professionelle Konferenztechnik. Die Anschaffung lohnt sich nicht für jeden. In vielen Regionen haben sich Anbieter für Konferenztechnik bereits auf hybride Events spezialisiert. Die PCS GmbH beispielsweis kann auch Simultandolmetscher live dazuschalten, sie sitzen in den PCS Dolmetscher-Studios. Von diesen Hubs aus kann in Echtzeit in bis zu 32 Sprachen simultan gedolmetscht werden. Weil Online-Gäste sich oft über unterschiedliche Videokonferenzsysteme zuschalten, sind die hybriden Events von PCS nach eigenen Angaben mit allen gängigen Lösungen kompatibel, wie Zoom, Cisco Webex Meetings, Microsoft-Teams, Skype oder GoToMeeting.
Auch etliche traditionelle Kongresszentren und Veranstaltungshäuser haben sich inzwischen auf hybride Events eingestellt. Sie bieten neben klassischen Räumlichkeiten Räume in Studioqualität, modernste Konferenztechnik und Partner für beide Welten. Meet hybrid heißt zum Beispiel das Angebot der Halle Münsterland in Münster, die mit MCC Catering nicht nur kreative Lösungen für die Online-Teilnehmenden anbieten, sondern mit Partnern deutschlandweit auch Studios, sollte etwa eine Referentin nicht vor Ort erscheinen können.
Noch steckt der Markt mit hybriden Events in den Kinderschuhen. Doch Mega-Trends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und New Work gewinnen derzeit in einem tiefgreifenden Transformationsprozess weiter an Dynamik, prognostizieren GCB und DZT. Im hybriden Mix steckt also viel Zukunftsmusik.
- Exakte Zieldefinition als Basis für das mehrdimensionale Konzept. Wichtig: Nicht jede Zielsetzung eignet sich für hybrid, konfliktbeladene Treffen z. B. eher nicht.
- Nicht ein, sondern gedanklich zwei Events planen: Hybrid erfordert die Kunst, zwei Welten zu verknüpfen.
- Erweiterte Reichweite nutzen: Ohne Reiseaufwand sind vielleicht mehr internationale Speaker und Moderatorinnen verfügbar, ebenso größere Zielgruppen.
- Konzept auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Online- und Präsenzteilnehmer ausrichten, zum Beispiel den zeitlichen Ablauf an der Aufmerksamkeitsspanne von Zuschauern am Monitor.
- Interaktions-Elemente wirken online und offline nicht unbedingt gleich, gezielt für reale und virtuelle Gäste einbauen.
- Hybridfähige Konferenztechnik einsetzen: Event-Software, Streaming-Dienste, Event-Plattform, Software oder Apps für Event-Funktionalitäten wie Networking.
- Regieplan für beide Event-Versionen: Präsenz- und Online-Erlebnis haben unterschiedliche Perspektiven, Licht-, Bild- und Ton-Anforderungen.
- Offline-Part: Location nach hybriden Anforderungen aussuchen – Technik, Raumangebot, Kooperationspartner für extra Dienstleistungen.
- Professionelle Dienstleister ins Boot holen, zum Beispiel Eventmanagement-Agenturen mit Hybrid-Erfahrungen, Anbieter moderner Konferenztechnik, Kongresszentren mit „Alles aus einer Hand“-Services.
- Das Thema Datenschutz nicht vergessen.
- Vor dem Live-Gehen unbedingt eine Generalprobe und immer wieder testen.