Es gibt sie: eine vernachlässigte, ja, sogar toxische Unternehmenskultur, die nicht nur Angestellte mürbe macht, sondern neue Bewerber regelrecht abschreckt. Dabei ist eine einladende Unternehmenskultur einer der wichtigsten Hebel, um die Fluktuation zu senken und in der aktuellen Fachkräftekrise neue Talente zu finden.
Christian Conrad, Autor des Praxisbuchs „Magnetische Unternehmenskultur“, gibt im Folgenden die wichtigsten Tipps zur unterschätzten Macht der eigenen Kultur.
w@o: Herr Conrad, wie sieht eine toxische Unternehmenskultur aus?
Christian Conrad: In einer toxischen Kultur fühlt sich niemand sicher und alle kontrolliert. Es herrscht Misstrauen untereinander. In der Regel sind solche Kulturen (sehr) hierarchisch geprägt, und es wird mit Angst geführt. Teams ebenso wie Einzelpersonen stehen miteinander im Wettbewerb. Dies wird durch Anreizmechanismen gesteuert, und daher kann sich kaum einer diesem Wettbewerb entziehen. Die Folge: Silobildung, Schnittstellenprobleme, „wir“ gegen „die“ Denken und sehr viel Politik.
Mobbing durch die Vorgesetzten ist an der Tagesordnung und der Stresslevel ist enorm hoch. Ziele, Rollen und Verantwortlichkeiten sind unklar. Die „Warum-Frage“ wird nicht gestellt und auch nicht beantwortet, Wertschätzung ist ein Fremdwort.
w@o: Gibt es dazu Zahlen, wie teuer eine vernachlässigte Unternehmenskultur die Firma zu stehen kommt oder wie viel Prozent der Mitarbeitenden deswegen pro Jahr kündigen?
Christian Conrad: Man kann sich das leicht ausrechnen, wenn man sich nur zwei Zahlen vornimmt:
1. Die Fluktuation. Wie lange dauert es, bis ein neues Teammitglied voll eingearbeitet ist. Nehmen wir an, es dauert ein Dreivierteljahr. Dann muss ich die Zeit von der Kündigung des „alten“ und der Einstellung des „neuen“ Mitarbeiters hinzuzählen. Annahme: ein Vierteljahr. Rein zeitlich kostet uns der Wechsel ein Jahr, multipliziert mit dem Umsatz, den ein durchschnittlicher Mitarbeiter in dem Bereich in einem Jahr erwirtschaftet. Liegt diese Zahl nicht vor: Lohnkosten Brutto inklusive Lohnnebenkosten x 2,5. In aller Regel ist das Ergebnis pro Person sechsstellig. Multiplizieren Sie diese Zahl dann mit der Anzahl der Abgänge in einem typischen Jahr. Für ein 100-Personen-Unternehmen mit einer Fluktuation von 15 Prozent und durchschnittlichen Brutto-Lohnkosten von 75.000 Euro (x 2,5) bedeutet das 15 x 75.000 x 2,5 = 2.812.500 Euro.
2. Die Produktivität. Eine McKinsey Studie hat aufgezeigt, dass die Top-Mitarbeiter 400 bis 800 Prozent so produktiv sind wie die durchschnittlichen Mitarbeiter. Meiner Erfahrung nach liegt die Produktivität in toxischen Unternehmen unter 50 Prozent. Wenn ein Unternehmen 20 Millionen Euro Umsatz macht bei 50 Produktivität und ich kann die Produktivität nur um 10 Prozent erhöhen macht das 2 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz aus.
Allein in diesem Beispiel: 100 Mitarbeiter, 20 Millionen Euro Umsatz kosten Fluktuation und geringe Produktivität knapp 4 Millionen Euro.
1. Alle Vorgesetzten, vor allem aber die erste Führungsebene, nehmen sich vor, täglich mindestens einmal zuzuhören mit dem Ziel, das Gegenüber wirklich zu verstehen (und nicht zu antworten) und die Verbindung zu diesem Gegenüber zu stärken.
2. Jede Führungskraft nimmt sich vor, aktiv Wertschätzung zu zeigen. Konkret heißt das: Versuchen Sie täglich drei Mal Menschen aus Ihrem Team oder aus anderen Bereichen des Unternehmens dabei zu „erwischen“, dass Sie Dinge richtig machen, und weisen Sie darauf konkret, verbal hin (mündlich oder schriftlich).
3. Erheben Sie eine Nullmessung, indem Sie eine Mitarbeiterbefragung durchführen und so den Status ermitteln.
4. Überprüfen Sie Ihre Anreizsysteme auf Wettbewerbssysteme und modifizieren Sie die in Richtung von „Win-Win-Systemen“. So vermeiden Sie Schnittstellenprobleme und Silobildung.
5. Führen Sie mindestens einmal jährlich eine Mitarbeiterversammlung und ein gemeinsames Fest durch, zu dem alle – egal wo sie auf der Welt leben und arbeiten – eingeladen sind.
6. Verändern Sie als Führungskraft Ihre Sichtweise auf Mitarbeiter: Sehen Sie sie nicht als Dienstleister, sondern als Kunden. Als Kunden für das Produkt Arbeitsplatz, die nur dann bleiben, wenn sie mit ihrer „Produkterfahrung“ zufrieden oder sogar vollauf zufrieden sind.
7. Verbessern Sie die interne Kommunikation und sorgen Sie dafür, dass sie keine Einbahnstraße ist. Führen Sie regelmäßig Townhall Meetings – live, virtuell oder hybrid – durch, in denen die Mitarbeitenden auch die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen.
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