Externe, oft virtuelle Assistenz ist für immer mehr Firmen eine Option. Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten so vielfältig wie das Angebot der Office-Dienstleistungen. Drei Assistentinnen erzählen, wie sie sich auf die Selbstständigkeit vorbereitet haben und wie ihr Berufsalltag aussieht.
Ob als Urlaubsvertretung, Zusatzkraft bei personellen Engpässen oder generell als Backoffice auf Zuruf: Assistenz-Dienstleistungen werden immer häufiger auf selbstständiger Basis angeboten. Sicher haben die Erfahrungen aus den vergangenen Homeoffice-Phasen dazu beigetragen, dass der Trend von einer wachsenden Zahl von Unternehmen aufgegriffen wird. Doch die Entwicklung weg vom Angestelltendasein hin zur Selbstständigkeit hat wahrscheinlich mehrere Hintergründe. Für die Netzwerkerin Nicole Stigler, Chairman bei IMA Germany (International Management Assistants) ist der Trend zwar „deutlich spürbar“. Doch über die Beweggründe der Kolleginnen, die den Sprung in eine selbstständige Existenz wagen, mag sie bislang nur spekulieren: „Es sind meist hochqualifizierte Kräfte, die diesen Weg gehen, und das in durchaus unsicheren Zeiten. Da fragt man sich natürlich schon, woran das liegt. Erfahren sie bei ihren Arbeitgebern nicht die Wertschätzung, die ihr Einsatz dort eigentlich verdient hätte? Werden sie nicht gut genug bezahlt? Oder füllen die Aufgaben, die man ihnen gibt, die Kolleginnen nicht genügend aus?“
Das alles sind durchaus nachvollziehbare Gründe für die Vorstandsfrau des Netzwerks, das seit mittlerweile 4 Jahrzehnten für die Aufwertung des Berufsbilds kämpft. „Leider erleben wir am Arbeitsmarkt teilweise sogar eine Art Rückwärtsgang in Richtung Sekretariat, wie es früher üblich war.“ Als „Externe“ habe man dagegen oft ein anderes Standing in den Unternehmen, „da ist man dann die engagierte Fachkraft für ein bestimmtes Projekt, als ‚Support Professional‘, und nicht mehr die sprichwörtliche ‚gute Seele‘ vom Dienst …“
Früher Coach, heute Support Professional
Es gab auch früher schon ein Trend zur Selbstständigkeit in ihrem Berufsfeld, sagt Nicole Stigler, „aber eher im Trainings- oder Coaching-Bereich“. Dass mittlerweile die eigentliche Aufgabe der Assistenz, die professionelle Unterstützung des Managements, selbstständig angeboten wird, gibt ihr zu denken. Als „Sicherheits-Freak“ verweist sie auf die Risiken, die eine Selbstständigkeit mit sich bringt, da habe man dann vielleicht nicht genügend Kunden oder bekomme eben doch nicht die Aufgaben, die man sich wünscht. Andererseits erkennt sie auch die Möglichkeiten: „Natürlich kann es den Berufsstand voranbringen, wenn sich selbstständige Assistenzen ein gutes Standing im Unternehmen erarbeiten und dort hochqualifizierte Aufgaben übernehmen.“ Doch diese Chance habe man in der Regel auch in dem Unternehmen, in dem man angestellt ist. Tatsächlich hat sie auch schon erlebt, dass Kolleginnen nach Jahren der Selbstständigkeit ins Angestelltendasein zurückgekehrt sind. Grundsätzlich reagiere das Netzwerk jedenfalls offen auf Trends im Assistenzbereich und gebe Starthilfe, wo sie nachgefragt wird: „Wenn eine Kollegin auf uns zukommt, die sich selbstständig machen möchte und Hilfe bei der Vermarktung ihres Angebots wünscht, dann machen wir das natürlich.“ Vor allem aber wünscht sie sich für alle Beteiligten – für die selbstständigen Kolleginnen, für IMA und für den Berufsstand insgesamt, dass man weiterhin an einem Strang zieht: „So ein Netzwerk kann doch gerade auch von Nutzen sein, wenn es mal nicht so gut läuft in der Selbstständigkeit. Und natürlich schätzen wir die Expertise sehr, die die selbstständigen Kolleginnen in unser Netzwerk einbringen können.“
Der Gedanke, ein selbständiges Business aufzubauen, ist irgendwann in den letzten zwei Jahren bei mir entstanden. Ich war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und habe dabei den Status Quo für meine berufliche Karriere hinterfragt: Will ich tatsächlich bis zum offiziellen Rentenalter im Angestelltenverhältnis arbeiten, mit allem, was dazu gehört – oder will ich irgendwann lieber selbstbestimmter arbeiten können? Die Frage hat mich sehr beschäftigt. Eine Option, die sich für mich immer deutlicher manifestierte, war der Schritt in die Selbständigkeit. Ich habe mich dann tiefer in das Thema eingearbeitet. Irgendwann war für mich klar, dass ich den Weg der Selbständigkeit gehen werde. Ich habe mein Konzept in einer großen Mindmap zu Papier gebracht und mit den ersten Vorbereitungen begonnen. Nun galt es, alles Weitere Schritt für Schritt abzuarbeiten und vor allem Kunden zu gewinnen. Durch die Vermittlung einer Verbandskollegin hatte ich bald einen ersten Auftrag. Seit Juni baue ich meine Kundenbasis allmählich aus.
Ein Businessplan war für mich die wichtigste Grundlage, um herauszufinden, welchen Preis ich verlangen muss und ob ich damit dann auch meinen Lebensunterhalt und die Betriebskosten decken kann. Dank meiner Ausbildung und Berufserfahrung wusste ich, wie ich da herangehen muss. Ich habe mir allerdings auch noch Unterstützung bei der IHK gesucht, und ich habe meine beste Freundin und einen meiner ehemaligen Chefs als Sounding Board genutzt. Außerdem habe ich ein großes Netzwerk innerhalb meines Berufsverbandes und aus meiner langjährigen Berufstätigkeit, das für mich eine gute Grundlage für die Akquisition von Kunden darstellt, was tatsächlich auch gut funktioniert. Ich konnte also mit Zuversicht und Selbstvertrauen in die Selbständigkeit starten: guter Plan, finanzielles Polster und natürlich auch den Willen, mit meinem eigenen Unternehmen erfolgreich zu sein.
Meine Selbstbestimmtheit bereitet mir die meiste Freude. Als Assistentin ist man immer von den Terminen des Chefs ‚getrieben‘. Nun kann ich meinen Tagesablauf selbst bestimmen und so planen, dass ich sowohl die Kundenanforderungen als auch meine eigenen Prioritäten unter einen Hut bekomme. Auch die freie Wahl des Arbeitsortes ist ein entscheidender Vorteil, und das genieße ich sehr. Angst habe ich bisher nicht gefühlt. Es ist allerdings tatsächlich eine Herausforderung, bei sich und seinen Vorstellungen (welche Kunden, welche Aufgaben und zu welchem Preis) zu bleiben. Entscheidend ist dafür ‚Know your Worth‘ und dann das Standing, das gegenüber den potentiellen Kunden zu vertreten. Und man braucht die Geduld und die Zuversicht, dass die richtigen Kunden schon kommen werden.
Mein Geschäftskonzept hat sich nach nur wenigen Monaten sehr gut entwickelt, besser als ich es mir erträumt hatte. Generell ist die Nachfrage seit Covid größer geworden, in den letzten Monaten hat sie noch einmal deutlich angezogen. Ich erhalte wöchentlich Anfragen von interessierten bzw. potenziellen Kunden. Allerdings kann ich vorläufig keine weiteren Kapazitäten anbieten. Aber ich habe ein Netzwerk von Kolleginnen, die ich in solchen Fällen gern weiterempfehle.
Gut vorbereitet in die Selbstständigkeit zu starten war mir sehr wichtig, um meinen eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. So habe ich vorab ein Gründercoaching absolviert und dann über mehrere Wochen einen professionellen Businessplan erarbeitet, mit einer detaillierten Risiko- und Konkurrenzanalyse und einem genauen Kosten- und Finanzplan. Diese Vorbereitung hat mir für den Schritt in die Selbständigkeit eine gewisse Sicherheit gegeben. Wichtig war mir auch ein professioneller Webauftritt und ein gutes LinkedIn-Profil. Für den finalen Sprung allerdings war mein Freundes- und Familienkreis ausschlaggebend. In diesem Umfeld habe ich erfolgreiche Selbstständigkeit über bereits viele Jahre miterlebt, und ich wurde sehr bestärkt, nach dem Motto „So wie Du es vorhast, wird es richtig gut.“ Die Motivation war sehr wichtig für mich, und ich bin dankbar dafür.
Für den finalen Sprung allerdings war mein Freundeskreis und meine Familie, hier vor allem meine Tante ausschlaggebend. In diesem Kreis habe ich erfolgreiche Selbstständigkeit über Jahre und Jahrzehnte miterlebt, und ich wurde sehr bestärkt, nach dem Motto „So wie Du es vorhast, wird es richtig gut.“ Das wurde es dann zum Glück ja auch. Die Beispiele und die Motivation waren sehr wichtig für mich, und ich bin dankbar dafür.
Die Motivation zur Selbständigkeit war der Wunsch nach selbstbestimmtem Arbeiten und die angenehme Vorstellung, mir die Menschen auswählen zu können, mit denen ich zusammenarbeite. Tatsächlich kann ich nun jeden Monat selbst entscheiden, wie viel ich arbeiten und somit verdienen möchte. Und ich konnte mir mit der Selbständigkeit vor kurzem einen meiner größten Lebensträume erfüllen und habe nun einen kleinen Welpen in meinem Leben, für den ich mir den Tagesablauf flexibel einrichten kann.
Aber natürlich hat alles seine zwei Seiten. Meine größte Sorge in der Selbständigkeit ist es, gesundheitlich fit zu bleiben und meine Energie immer voll abrufen zu können. Ein Krankheitsausfall in der Selbständigkeit ist mit einer klassischen Krankschreibung wie im Angestelltendasein nicht zu vergleichen und hat natürlich direkte monetäre Auswirkungen. Deshalb achte ich sehr darauf, mich nach intensiven Phasen immer wieder zu erholen und neue Energie zu tanken. Dabei unterstützt mich auch mein Hund Rühmann mit Spaziergängen und Wanderungen im schönen bayerischen Alpenvorland.
Urlaubsvertretung als Geschäftsmodell, so fing ich 2011 in Hamburg mit meiner Selbstständigkeit an. Ich sprang in verschiedenen Unternehmen ein, wenn auf Vorstands- Geschäftsführungs- oder Bereichsleiterebene eine Assistentin für eine gewisse Zeit ersetzt werden sollte. Mir hat das gut gefallen, denn ich war zwar extern, aber bei wiederkehrenden Einsätzen fühlte ich mich oft als Teil des Unternehmens. Dann gab es einen persönlichen Umbruch in meinem Leben und ich beschloss, von der Großstadt in meine Heimatstadt Husum zu ziehen. Anfangs bin ich für einen Auftrag immer noch mal reingefahren nach Hamburg, aber das war keine Dauerlösung. Dann kam Office 365, und damit war plötzlich Remote-Arbeit möglich. Ich habe meinen Service in der DACH-Region angeboten und für viele international ausgerichtete Unternehmen gearbeitet. Dann gab es wieder einen Umbruch, dieses Mal von außen – Corona. Und mit der Pandemie kam das Homeoffice. Das war einerseits gut, denn Remote wurde für viele Unternehmen eine ernstzunehmende Alternative, andererseits gab es auch einen massiven Einbruch, weil viele Unternehmen sparen mussten. Nach Corona blieb Remote, die Auftragslage hat sich deutlich erholt und auch der Fachkräftemangel ist spürbar. Ich konzentriere mich darauf, Aufgaben zu übernehmen, die mir am meisten liegen, und das ist meist weniger das Sekretariat, sondern eher der kaufmännische Assistenzbereich. Als Einzelkämpferin habe ich zum Glück ein gutes Netzwerk, und was mir nicht so sehr liegt oder was ich aus Zeitgründen nicht schaffen kann, gebe ich gern an mein Netzwerk weiter. Mittlerweile fahre ich zweiggleisig. Ich biete Unternehmen, vor allem im Bereich der Seminaranbieter, remote ein permanentes Backup für ihr Office, zum Beispiel, wenn dort für eine feste Stelle nicht genügend Auslastung vorhanden ist. Oder es geht auch mal darum, als Interims-Lösung einzuspringen, bis eine frei gewordene Stelle neu besetzt ist. Da halte ich dann so lange die Bälle in der Luft. Oft übernehme ich auch noch das Onboarding der neuen Kollegin, das geht zum Beispiel prima über Teams.
Mehr freie Zeiteinteilung und mehrSelbstbestimmtheit, das sind für mich die Pluspunkte einer Selbstständigkeit. Diese Freiheit muss einem aber auch liegen. Es gibt ja auch Menschen, die lieber nach Vorgaben arbeiten, feste Zeiten haben und nicht so viel Eigenverantwortung. Man muss da auch unterscheiden: Selbstständige Assistentinnen, die Unternehmen im Tagesgeschäft unterstützen, sind natürlich nicht so flexibel, bei Projektarbeit geht das schon eher. Nachteile gibt es natürlich auch. Man muss immer funktionieren. Und was ist, wenn es niemandem gibt, der einem finanziell den Rücken freihält? Auf die Dauer kann das ganz schön mürbe machen. Wer selbstständig ist, muss in betriebswirtschaftlichen Fragen einfach fit sein und für sich selber sorgen. Selbstständige haben hierzulande kein Auffangnetz, ich finde, da müsste Deutschland mehr tun.
Als Selbstständige ist man stets damit beschäftigt, sich marktangepasst weiterzuentwickeln. Zwischen den Anforderungen des Marktes und dem eigenen Angebot gibt es eine ständige Dynamik. Diese Beweglichkeit muss man einfach haben. Zugleich muss man sich immer bewusst sein, dass Selbstständigkeit mit Risiken verbunden ist. Ich würde Kolleginnen, die sich selbstständig machen wollen raten, einen Gründungszuschuss zu beantragen und dann wenigstens drei Jahre durchzuhalten, bis eine gewisse Festigungsphase erreicht ist. Einfach mal anfangen und dann womöglich wieder vom Markt verschwinden, das finde ich nicht so sinnvoll. Schließlich hat man den Auftraggebern gegenüber ja eine Verpflichtung, sie erwarten eine gewisse Kontinuität. Deshalb finde ich es wichtig, von Anfang so zu planen, dass man die eigene Dienstleistung seriös und langfristig anbieten kann.