Volles Vertrauen auf beiden Seiten: Prof. Dr. Michael Hüther und seine Assistentin Simone Schüttler.
Volles Vertrauen auf beiden Seiten: Prof. Dr. Michael Hüther und seine Assistentin Simone Schüttler. © Uta Wagner

„Ich erarbeite mir, was mich herausfordert“

Als Direktionsassistentin beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ist sie nah dran an vielen Themen, die unseren Alltag bestimmen. Das gibt dem klassischen Tagesgeschäft immer wieder einen besonderen Kick – und ist zugleich ein Umfeld für spannende inhaltliche Mitarbeit.

Wenn Simone Schüttler morgens um sieben das Haus verlässt, um mit dem E-Bike ins Büro zu radeln, ist sie eigentlich schon mittendrin im Thema. Eine halbe Stunde von ihrem Wohnort Hürth über die Stadtgrenze durch die geschäftige Kölner Innenstadt, im vollen Berufsverkehr, ausgestattet mit Helm und Warnweste – „da ist jeder Tag ein Abenteuer, man muss auf sich aufpassen.“ Alltag in Deutschland, in dem die Wirtschaft den Puls bestimmt, im Großen wie im Kleinen.

Das ist zwar keine neue Entwicklung. Doch das Bewusstsein für die komplexen Zusammenhänge, für die Auswirkungen von Wirtschaft auf jeden Einzelnen, das habe sich schon verändert, findet die Direktionsassistentin. „Vor zwanzig Jahren war das IW bei vielen Menschen noch nicht so bekannt“, meint sie, „das ist heute anders. Bei Wirtschaft und Politik wollen heute viel mehr Menschen mitreden, sie haben eine Meinung, wollen verstehen.“

Für die stärkere Wahrnehmung des Instituts sei sicher auch ihr Chef mitverantwortlich, meint Simone Schüttler. Der Ökonom Prof. Dr. Michael Hüther ist seit 2004 Direktor des IW, ebenso lange arbeiten die beiden dort zusammen. Seine Einschätzungen zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland sind von Politik und Wirtschaft gefragt. Michael Hüther ist regelmäßiger Gast in den Medien, er reist für Vorträge und Veranstaltungen durch die Welt, berät mit anderen Wirtschaftsexperten die Bundesregierung, schreibt Aufsätze und Bücher und ist sogar Podcaster. Da kann man sich in etwa vorstellen, was Direktionsassistentin Simone Schüttler mit dem Team um ihn herum an Aufgaben zu bewältigen hat.

Verstehen und mitreden

Die vielen Themencluster an dem Wirtschaftsforschungsinstitut gehen in irgendeiner Form auch über ihren Schreibtisch. Sie heißen „Staat, Steuern, Soziale Sicherung“, „Bildung, Innovation, Migration“, „Digitalisierung und Klimawandel“, „Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte“, „Arbeitswelt und Tarifpolitik“ sowie „Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte“, mit jeweils vielen Unterpunkten – „da kommt schon was zusammen“, sagt die Assistentin.

Sie arbeitet eng mit einer Referentin und einem Referenten des Direktors zusammen, beispielsweise bei der Vorbereitung der Vorträge. „Wir diskutieren da natürlich auch über das eine oder andere, das ist schon extrem interessant. Ich bekomme hier eine gute eigene Vorstellung davon, was wirtschaftlich passiert in der Welt.“ Dass das IW in der Regel arbeitgebernahe Positionen vertritt, weil es von Verbänden und Unternehmen der Wirtschaft finanziert wird, wird in der Öffentlichkeit und in den Medien durchaus kontrovers wahrgenommen; auch Simone Schüttler erlebt entsprechende Kommentare immer mal wieder im persönlichen Umfeld. Für sie gehört eine kritische Auseinandersetzung zu einem demokratischen politischen Diskurs ganz einfach dazu: „Seien wir doch froh, dass wir offen und auf Augenhöhe miteinander diskutieren können.“ So einseitig sieht sie die Positionen des Instituts im Übrigen gar nicht, „wir haben durchaus auch die Arbeitnehmerperspektive im Blick.“

Das Mail-Fach sprudelt nonstop

Neben der spannenden inhaltlichen Arbeit gebe es aber auch noch viel klassisches Backoffice, erzählt die Assistentin. „Mein Chef bekommt jeden Tag unglaublich viele Mails, mit Vortragsanfragen, Presseanfragen, Einladungen zu Veranstaltungen und vielem, vielem mehr. Die Bearbeitung der Mail-Korrespondenz gehört zu meinen Kernaufgaben.“ Einen guten halben Tag sei sie allein damit beschäftigt, und über den häufig zu lesenden Anti-Stress-Tipp, immer nur zu festen Zeiten ins Mail-Fach reinzuschauen, kann sie nur lächeln. „Das geht bei uns gar nicht!“

Daneben organisiert sie jede Menge Inhouse-Meetings, wöchentliche jour fixes mit den persönlichen Referenten, plant quartalsweise Führungskräfte-Treffen und halbjährliche Mitarbeitendenversammlungen und bereitet langfristig interne wie externe Veranstaltungen vor. Hinzu kommen die üblichen „Orga-Aufgaben“: Professor Hüther hält manchmal fünf bis sieben Vorträge in der Woche, da müssen wir am Ball bleiben. Was brauchen die Veranstalter von uns, eventuell einen Lebenslauf, aktuelle Fotos etc., was brauchen sie über das Institut. Was braucht mein Chef vor Ort, was muss dort organisiert werden, sind die Vorträge auf dem neuesten Stand und so weiter und so fort.“

„Ich bin sehr gern im Büro“

Theoretisch könnte sie all das auch von Zuhause, vom Homeoffice aus erledigen, zumal der Chef viel unterwegs ist. „Wir haben generell eine Vertrauensarbeitszeit hier, die Führungskräfte regeln das individuell mit ihren Teams. Das schafft schon ein sehr angenehmes Klima.“ Simone Schüttler verbringt ihre Arbeitstage dennoch am liebsten im Büro: „Ich brauche den Kontakt zu den Menschen, Zuhause würde ich versauern. Für mich lebt mein Job davon, dass ich hier im Institut bin.“ Zumal sie, wie sie sagt, in einem „absoluten Dreamteam“ arbeitet, „wir sind vier Kolleginnen im Backoffice, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. Wir vertreten uns gegenseitig in Zweierteams, es klappt wirklich alles prima und ist jetzt so, wie ich es mir jahrelang gewünscht habe.“

Die viel zitierte Work-Life-Balance, für Simone Schüttler, Jahrgang 1970, gehört sie zur Jobzufriedenheit unbedingt dazu. Es habe viele Jahre gedauert, bis sie für sich die ideale Konstellation gefunden habe: „Ich war früher noch nicht so selbstbewusst, auch in meinen früheren Jobs noch nicht, das hat sich im Laufe der Zeit erst entwickelt. Heute weiß ich, was gut für mich ist und was nicht und kann das auch entsprechend einfordern.“ Dazu zählt beispielsweise eine Vier-Tage-Woche, freitags hat sie frei.

Chef und Assistentin schätzen sich

Mit Michael Hüther arbeitet Simone Schüttler seit mehr als 25 Jahren zusammen, die beiden kennen sich seit 30 Jahren. Zweimal habe er sie mitgenommen zu einer nächsten beruflichen Position, „wir wissen, was wir aneinander haben.“ Natürlich gab und gibt es auch mal Konflikte, nicht immer ist die Assistentin mit ihrem Chef einer Meinung – „ich muss aber grundsätzlich dahinterstehen können, was er entscheidet.“ Dieses Vertrauen ist da, „und wenn ich wirklich mal eine andere Auffassung von einer Angelegenheit habe als er, ist es eben ein Lerneffekt, trotzdem miteinander klarzukommen, für uns beide.“ Dass er anspruchsvoll sei, sagt sie noch, zugleich aber auch bereit, sein Team selbstständig arbeiten zu lassen, „er kontrolliert nicht“.

Michael Hüther wiederum kann sich ohne Wenn und Aber auf das Know-how, die Motivation und die Gewissenhaftigkeit seiner Assistentin verlassen. Besonders wichtig sei ihm verlässliches Terminmanagement, eine umfassende Agenda-Betreuung und ein freundlich-verbindliches Auftreten nach innen wie nach außen: „Meine Assistentin ist fast ebenso wie ich das Gesicht des Instituts. Ich bekomme viel positive Rückmeldung für die umsichtige Art und Weise ihres Kommunizierens und ihres Agierens.“ Für ihn ist die jahrzehntelange Zusammenarbeit durchaus ein Teil des Erfolgs des Instituts: „Simone Schüttler hat alle neuen Herausforderungen offen und freudig angenommen, zusätzliche gesucht und stets weit über ihr Aufgabengebiet hinausgedacht. Es ging und geht ihr immer um das Gelingen und das Funktionieren der gesamten Institution.“

Soft Skills für die Persönlichkeit

So ein Satz klingt wie aus einem Eins-A-Arbeitszeugnis, und das bekäme die Direktionsassistentin wohl auch, hätte sie entsprechende Pläne. Hat sie aber nicht, im Gegenteil. Für die 55-Jährige ist es selbstverständlich, ihre Tätigkeit beim IW weiterzuentwickeln, in Richtung Zukunft. „Ich frage mich immer, was braucht es denn, um die neuen Herausforderungen zu erfüllen. Wir sind im Büro sehr nah dran an den aktuellen Tools. Es muss aber nicht jede alles können. Wir unterstützen uns gegenseitig mit unseren Fähigkeiten.“

Die fachlichen Fortbildungen sind das eine, zur Personalreferentin mit IHK-Zertifikat beispielsweise, in diversen Software-Programmen, in Projektmanagement, Büromanagement und Selbstorganisation. Mindestens ebenso wertvoll sind für sie aber auch Fähigkeiten, die die eigene Persönlichkeit stärken. Resilienztraining, Kommunikationstools, NLP-Practitioner und NLP-Master: „Die Soft Skills fand ich oft sogar noch wertvoller und wichtiger. Die NLP-Ausbildung hat mir sehr geholfen, mit meinen eigenen Themen umzugehen. Ich kann mich seitdem selbst besser steuern.“ Ein Wochenendseminar bei Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun liegt schon viele Jahre zurück, „doch es ist nach wie vor ein Highlight in meinem Leben.“

Schon immer gehörte regelmäßiges Lernen zu ihrem beruflichen Selbstverständnis, ebenso das Wahrnehmen von Chancen, gleich nach der Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau zum Beispiel. Im Ausbildungsbetrieb wollte sie damals nicht bleiben, und so bewarb sie sich beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden, „in meinem Dorf arbeiteten dort viele, es klang ganz gut.“ Dass sie zunächst im Sortierraum landete, war nicht wirklich das, was sie sich vorgestellt hatte, und so arbeitete sie sich schnellstmöglich heraus. „Damals gab es noch eine Fernschreibestelle, da kam man aber nur mit einer Mindestanzahl an Anschlägen rein. Ich bin dann jede Mittagspause dorthin und habe geübt und geübt, um die notwendige Prüfung abzulegen und mich von dort aus weiter zu bewerben, als Sekretärin in der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats für Wirtschaft, bekannt als die „Fünf Weisen“.

Das war ein großer und wichtiger Karrieresprung. Michael Hüther gehörte damals schon zu ihren Vorgesetzten, als Generalsekretär beim Sachverständigenrat. Als der Ökonom 1999 einen Ruf von der DekaBank Deutsche Girozentrale bekam, ging er als Chefvolkswirt an den Hauptsitz nach Frankfurt. Wenig später klingelte bei Simone Schüttler das Telefon, ob sie als seine Assistentin mitgehen wolle. „Erst einmal dachte ich, das meint er doch nicht ernst“, dann kam die Angst, und dann der Mut – „ich habe mir immer alles erarbeitet, was mich herausgefordert hat.“

Menschen miteinander vernetzen

Rund 500 Leute arbeiten am Institut der deutschen Wirtschaft am Standort Köln, Simone Schüttler kennt die meisten, „das ist eine fast schon familiäre Atmosphäre, die ich sehr schätze.“ Hierarchische Strukturen gebe es am Institut natürlich auch, dennoch empfindet sie das Arbeiten hier anders als in der freien Wirtschaft: „Wir haben eine deutlich geringere Fluktuation, die Menschen können sich ausleben mit ihrer inhaltlichen Arbeit.“ Und: „Wir wollen die Leute im Institut halten, dafür entwickeln wir Programme im Perspektiven-Team. Mit einem Mentoring-Programm sollen beispielsweise mehr Frauen in Führung gelangen.“

Aus dem Mentoring-Programm ist das Frauen-Netzwerk „PerspektIWen“ entstanden, Simone Schüttler engagiert sich darin. „Ich war schon immer eine Netzwerkerin“, sagt sie, „ich war Klassensprecherin, Spielführerin und auch Jugendtrainerin im Fußball und singe in einem Chor. Es bedeutet mir etwas, mit Menschen in Kontakt zu sein und sie zusammenzubringen.“