Reden wir über Geld? Nein, genau das geht mit Nina Willenberg nicht. Denn die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist zwar nicht gerade eine Geheimsache, aber eben doch etwas, das über klar definierte Informationskanäle der Bank nach außen vermittelt wird. „Über meine Aufgaben hier erzähle ich sehr gern“, sagt die Abteilungsassistentin, „aber wie hier bei uns Entscheidungen entstehen und was für die Zukunft geplant ist, das sind natürlich Interna.“
Die Inhalte der veröffentlichten Entscheidungen werden mit allen Teams um EZB-Präsidentin Christine Lagarde abgestimmt. Die französische Politikerin und Juristin mit der eleganten Ausstrahlung leitet die EZB seit dem 1. November 2019, als erste Frau in dieser Position. Die Frage, ob sie denn schon mal persönlich mit der Präsidentin zu tun gehabt habe, fällt jedenfalls nicht unter die Interna, Nina Willenberg verneint sie: „Wir sehen sie ab und zu durch die Lobby gehen, und ja, das ist schon immer ein besonderer kleiner Moment. Das war es für mich bei ihrem Vorgänger Mario Draghi aber auch.“
Der Euro hält alle auf Trab
Womit sich die Europäische Zentralbank befasst, davon berichten so gut wie jeden Tag die Medien. Neben der Bankenaufsicht sorgt die EZB, stark vereinfacht, dafür, dass der Euro stabil bleibt. Sie verwaltet die Währungsreserven der ihr angeschlossenen Zentralbanken aus den 20 Mitgliedsländern, die den Euro als offizielle Währung führen. Die Preisstabilität im Euroraum ist das vorrangige Ziel der EZB. Das Hauptgebäude der Zentralbank, in dem Nina Willenberg arbeitet, liegt in City-Ost, es gibt zwei weitere Standorte in Frankfurt am Main. In regelmäßigen Abständen tagt hier der EZB-Rat als wichtigstes Gremium und oberstes Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank. Hier werden die Leitzinsentscheidungen getroffen und bekanntgegeben.
Seit 2018 arbeitet Nina Willenberg in der Abteilung für Geldpolitische Strategie. Hier zählt das Vorbereiten der geldpolitischen Agendapunkte in der Ratssitzung mit zu ihren wichtigsten Aufgaben. „Infos weitergeben, Meetings koordinieren, die notwendige IT vorbereiten, klassische Prozesssteuerung eben“, das beschäftigt sie durchgehend. Auch die Passagen im regelmäßigen Eingangs-Statement, das die Haltung der EZB zur aktuellen Geldpolitik zusammenfasst, wird in ihrer Abteilung mit formuliert und abgestimmt.
Ein Klima der kulturellen Vielfalt
Die Internationalität an ihrem Arbeitsplatz begeistert Nina Willenberg jeden Tag aufs Neue. Längst ist es für sie normal, den ganzen Tag Englisch zu sprechen am Arbeitsplatz. Als staatlich geprüfte Assistentin für das Fremdsprachensekretariat, so die offizielle Bezeichnung ihrer Ausbildung, fällt ihr das nicht schwer. Doch bei einer kurzen Pause an der Kaffeemaschine mal mit einem italienischen, mal mit einem französischen Kollegen ein paar Worte zu plaudern, das findet auch sie immer noch besonders. „Es ist spannend, andere Kulturkreise im täglichen Miteinander zu erleben, es ist bereichernd.“
Ihr neuer Chef, mit dem sie erst seit Kurzem zusammenarbeitet, ist Engländer, zuvor hatte sie eine Chefin als Sparringpartner – „sie hat mich sehr einbezogen in Entscheidungen, das hat mir gut gefallen.“ Seit 2009 ist sie bei der EZB dabei, der Einstieg gelang über eine Zeitarbeitsfirma, nach einigen Jahren wurde eine Festanstellung daraus. Seitdem hat Nina Willenberg mehrere Stationen in dem großen internationalen Bankhaus erlebt. Sie profitiere sehr von der Aufgabenvielfalt, erzählt sie: „Ständig den eigenen Horizont zu erweitern und neues Wissen zu erschließen, das ist für mich die Voraussetzung, damit ich mich in meinem Beruf wohlfühle.“ Auch ohne konkretes Karriereziel setzt sie auf Weiterbildungen, die ihr persönlich und für ihre Aufgaben einen Mehrwert versprechen.
Die Fortbildung zur Feelgood-Managerin habe nicht nur viel Spaß gemacht, sie könne die vermittelten Inhalte auch gut anwenden, erzählt sie: „Ich weiß jetzt, wie man eine Arbeitsatmosphäre positiv beeinflussen und gestalten kann.“ Und es ist immer wieder der Austausch mit anderen während einer Fortbildung, den sie schätzt.
Ihr Credo: Never stop learning
Derzeit liegt ihr Fokus auf einer Weiterbildung, die es in sich hat, und zwar zur „Chief of Staff“, vielen Berufskolleginnen mittlerweile ein Begriff. Die einjährige Weiterbildung baut auf dem auf, was die meisten Assistenzen im deutschsprachigen Europa vorzuweisen haben: Berufsausbildung, aufbauende Studien oder Weiterbildungen und mehrjährige Berufserfahrung. Das Ziel: Als Sparringspartnerin und rechte Hand des oder der CEO sowohl in der Strategie als auch im Tagesgeschäft mitzuwirken. Da geht es um Projekte und Initiativen auf Geschäftsleitungsebene, um Aufgaben im Change Management und in Unternehmenskommunikation, um die Mitarbeiterzufriedenheit, um das Recruiting: „Die Einsätze sind so vielfältig wie die Aufgaben in einem Unternehmen.“
Im Juli 2023 hat sie angefangen, im Juli dieses Jahres ist sie fertig geworden und hat mit einer Projektarbeit abgeschlossen. Dass es weder die Feelgood-Managerin noch die Chief of Staff als offizielle Position bei der Europäischen Zentralbank gibt, wusste sie, als sie mit dem Lernen begann. „Es ist ein stark reglementiertes Umfeld hier bei uns“, sagt sie, „denn bei einem so komplexen Apparat wie der EZB mit weitreichenden Auswirkungen für die gesamte Weltwirtschaft braucht es nun mal klare und nachvollziehbare Tätigkeitsprofile. Man denke nur an den Datenschutz.“ Für sie mache es dennoch Sinn, sich ständig weiterzubilden: „Never stop learning war und ist meine Devise.“
Wer gut ist, findet immer einen Job
Damit das Berufsbild Assistenz genügend wahrgenommen wird, haben die Assistentinnen vor einigen Jahren ein internes Netzwerk gegründet. Nina Willenberg ist von Beginn an im Kernteam dabei, gibt Seminare zu neuen IT-Anwendungen oder zu neuen Tools beispielsweise. Einmal im Jahr veranstaltet das Netzwerk eine interne Assistenz-Konferenz, dazu werden auch Kolleginnen und Kollegen von den anderen EZB-Standorten eingeladen. „Unser Chief Service Officer ist so etwas wie unser Patron, und von der Personalabteilung erhalten wir ein jährliches Budget, um auch mal externe Trainerinnen und Trainer einladen zu können, oder für Veranstaltungen, die wir planen.“ Das Netzwerken im Haus findet sie dringend notwendig. „Wir haben hier so viele Kolleginnen und Kollegen in unserem Berufsbild, die sich gar nicht alle kennen. Da ist ein Netzwerk eine optimale Gelegenheit.“
Dass sie sich vor rund zwanzig Jahren für dieses Berufsbild entschieden hat, findet sie nach wie vor richtig. „Wir haben mittlerweile so viele Möglichkeiten, und viele Berufskolleginnen nutzen die vielen Optionen auch. Man darf nicht stehenbleiben, sondern muss immer wieder in die eigene Weiterbildung investieren, das lohnt sich in jedem Alter, auch mit 50 plus. Und wenn das eigene Unternehmen nicht genügend Chancen bietet, dann gehört eben auch mal ein Wechsel zu den Optionen. Denn für gute Leute ist der Arbeitsmarkt immer offen.“