sexuelle Belästigung Arbeitsplatz, grabschen, anfassen unangenehm, Grenzen überschreiten
Es gibt Grenzen, die jeder Chef oder Kollege nicht überschreiten darf. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz muss gemeldet werden © Antonio Guillem - Shutterstock

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Betroffene können sich wehren

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kommt nicht erst seit der „Me too“-Bewegung vor. Obwohl durch diese Initiative das Thema verstärkt in den Fokus gerückt ist – allerdings im privaten Umfeld. Doch auch vor Betrieben macht die sexuelle Belästigung, von der meistens Frauen betroffen sind, nicht halt.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kam im Jahr 2015 zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Beschäftigten bereits sexuelle Belästigungen erlebt haben. Grundlage für die Untersuchung der ASD war eine groß angelegte Umfrage. Sexuelle Übergriffe, egal welcher Art, sind also kein Einzelfall, sondern leider gang und gäbe. 

Laut Strafgesetzbuch (Paragraf 184i, Stgb) ist die Bestrafung bei körperlicher sexueller Belästigung so geregelt:  

(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2)  1 In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. 

2 Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Tätern kann gekündigt werden

Für die Betroffenen selbst können unerwünschten Übergriffe auch am Arbeitsplatz mit nachhaltigen Schäden verbunden sein. Schlimmstenfalls kann sie sogar den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten. Dann nämlich, wenn die Betroffenen die Belästigungen nicht mehr ertragen und kündigen. Doch den Tätern kann ein Unternehmen in vielen Fällen aus eigener Initiative kündigen, wenn diese wegen sexueller Übergriffe durch Kollegen bezichtigt werden. 

Arbeitgeber müssen Mitarbeiter am Arbeitsplatz schützen

Sexuelle Belästigungen gelten als Diskriminierung und als eine Benachteiligung am Arbeitsplatz. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, ihre Angestellten vor sexueller Belästigung zu schützen. Und das aktiv. Allerdings gibt es kaum Aufklärung über entsprechende Schutzmaßnahmen und Präventionsprogramme gegen Sexismus. Sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Handlungsverantwortlichen wie Arbeitgeber, Betriebs- oder Personalräten. Zu dieser Verpflichtung gehört nämlich einiges. Sie beginnt schon mit der Prävention und damit, als vorbeugende Maßnahme das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Unternehmen bekannt zu machen und gegebenenfalls auch öffentlich auszuhängen. 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was ist das? 

Auf Basis des AGG wird zunächst die allgemeine Belästigung von der sexuellen Belästigung unterschieden. Während die allgemeine Belästigung als Verletzungen, Erniedrigungen, Einschüchterungen und Anfeindungen sowie Beleidigungen gegenüber anderen Menschen definiert ist und bei welcher die Würde des Menschen verletzt wird, bedeutet sexuelle Belästigung:

Sexuelle Belästigung hängt häufig mit Wunsch nach Macht zusammen

Es handelt sich bei der sexuellen Belästigung also um unerwünschte und sexualisierte sowie geschlechtsbezogene Verhaltensweisen. Wichtig ist, dass die entsprechenden unangebrachten Handlungen oder Äußerungen nicht mit Lustempfinden zusammenhängen müssen: Sehr häufig stehen sexuelle Belästigungen mit einem Machtempfinden oder der Ausübung von Macht in Verbindung.

Eine absichtliche Berührung der Brust z.B. ist also immer sexuell motiviertes Verhalten, egal aus welcher Situation heraus. Dasselbe gilt z.B. für den Klaps auf den Po oder den Griff in den Schritt. Auch diese Handlungen können entsprechende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Weitere strafbare sexuelle Handlungen, die über das AGG hinausgehen, sind der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen (Auszubildende, Praktikanten) oder auch exhibitionistische Taten. Was Sie wissen sollten: Als sexuelle Belästigungen gelten selbstverständlich auch Vorfälle zwischen Mitarbeitern gleichen Geschlechts. Meistens sind Frauen die Opfer, jedoch werden auch Männer Opfer von sexueller Belästigung. 

Verschiedene Formen sexueller Belästigung

Es gibt sowohl verbale als auch nonverbale sexuelle Belästigungen. Hinzu kommen physische sexuelle Übergriffe. Beispiele dafür sind: 

Verbale sexuelle Belästigung: 

  • Beleidigende Bemerkungen z.B. über Figur, Kleidung, Aussehen des betroffenen Beschäftigten
  • Anzügliche Bemerkungen
  • Anzügliche Witze
  • Aufdringliche Bemerkungen
  • Anzügliche Fragen über das Privatleben oder die Intimsphäre
  • Sexuelle Zweideutigkeiten
  • Aufforderungen zu bestimmten Handlungen (z.B. auf den Schoß setzen)

Zu den nonverbalen Belästigungen gehören z.B. anzügliche Gesten oder Aufforderungen sowie körperliche, unerwünschte Berührungen und anzügliche Blicke.

    Weiterhin umfasst nonverbale Belästigung sexuellen Inhalts auch: 

    • Anstarren
    • Verbreitung pornografischen Materials 
    • Hinterherpfeifen
    • Aufdringliche Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken oder per Post, mit Fotos, Videos, Kurzmitteilungen
    • Exhibitionismus

    Körperliche Belästigungen sind: 

    • Unerwünschter Körperkontakt (Kneifen, Streicheln, Tätscheln oder Umarmungen…)
    • Körperliche Gewalt
    • Nicht-Wahrung der üblichen, körperlichen Distanz (etwa eine Armlänge)
    • Wiederholte unerwünschte Annäherung oder Herandrängeln an eine Person

    Sexuelle Belästigung: Welche Aufgaben hat der Arbeitgeber

    Auch im Büro ist es nicht immer leicht, taktlose und durchaus kritikwürdige Bemerkungen richtig einzuschätzen. Derbe Witze, die in geselliger Runde gern zum Besten gegeben werden, kommen nicht überall gut an - und im Büro meistens gar nicht. Manchmal ist es auch schwierig auszuloten, wo es sich noch um einen Flirt handelt und wo sexuelle Belästigung beginnt. Oft werden auch verbale und non-verbale Übergriffe als harmlos eingestuft, und die betroffenen Arbeitnehmer gelten als empfindlich. Besonders schwierig ist es, wenn sexuelle Übergriffe von Vorgesetzten ausgehen. In diesem Fall ist es für die Opfer noch schwieriger, die Scham zu überwinden und sich Hilfe zu holen. 

    Folgen für die Betroffenen

    Sexuelle Belästigung hat körperliche und seelische Folgen. Betroffene sprechen von Ekel, Angst oder auch Scham. Auch Depressionen oder Schlafstörungen kommen vor. Deshalb wundert es nicht, dass die Leistungsfähigkeit auf der Arbeit eingeschränkt sein kann. Die betroffenen Mitarbeiter können unkonzentriert sein oder sind oft krank. Das geschieht besonders dann häufig, wenn die Opfer schweigen, keine Beschwerde anbringen und keine Hilfe in Anspruch nehmen. In schweren Fällen kündigen die Betroffenen oder werden arbeitsunfähig. Darüber hinaus kann regelmäßige sexuelle Belästigung auch das Betriebsklima vergiften. 

    Was ist Flirt, was Belästigung?

    Flirts gehen immer von beiden Seiten aus, das heißt, alle beteiligten Parteien sind damit einverstanden. Belästigungen geschehen ohne die Erlaubnis des anderen und sind grenzüberschreitend. Das ist besonders dann der Fall, wenn die belästigte Person ihre Abneigung gegen diese Belästigungen dokumentiert oder durch sie gedemütigt wird. Eine sexuelle Belästigung liegt auch dann eindeutig vor, wenn der Täter einem Mitarbeiter damit droht, dass bei einer Ablehnung von sexuellen Handlungen berufliche Nachteile entstehen. Auch das Versprechen beruflicher Vorteile bei Entgegenkommen gehört in den Bereich der sexuellen Belästigung.  

    Gang zum Gericht wird häufig gescheut

    Was ist zu tun, wenn sich Kollegen sexuell belästigt fühlen oder  belästigt werden? Vor Gericht werden in Zusammenhang mit dem Fall auch das Umfeld und die hierarchische Struktur im Unternehmen beleuchtet: Sexuelle Belästigung geschieht nämlich häufig auch auf dem Boden einer versuchten Machtausübung. Ein gerichtliches Verfahren ist im Grunde der letzte Weg, den die meisten Arbeitgeber und auch betroffene Beschäftigte scheuen. 

    Arbeitgeber ist zum Schutz seiner Angestellten verpflichtet

    Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den Arbeitgeber zur Prävention verpflichtet und beim Thema der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Geregelt ist dies durch das AGG.

      Unter anderem enthält das Gesetz folgende Regelungen, zu denen der Arbeitgeber zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung verpflichtet ist: 

      • Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Unternehmen bekanntmachen
      • Angabe einer betrieblichen Beschwerdestelle oder konkreter Personen (männliche und weibliche)
      • Beim Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot muss der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen ergreifen (Abmahnung, Umsetzung, Kündigung in schweren Fällen)
      • Werden die Mitarbeiter durch Dritte belästigt, sind ebenfalls Maßnahmen zu ergreifen. (Einschreiten, Kündigung der Geschäftsbeziehungen) Beispiel: Eine Verkäuferin, die durch einen Kunden sexuell belästigt wird, eine Büroangestellte, die vom Mitarbeiter einer anderen Firma belästigt wird, zu der Geschäftsbeziehungen bestehen)

      Betroffene können sich wehren 

      Angestellte, die sexuelle Belästigungen erfahren haben, haben das eindeutige Recht, sich zu beschweren – entweder bei den innerbetrieblichen Anlaufstellen oder beim Betriebsrat. Der Arbeitgeber wird möglicherweise zu einer Entschädigung an das Opfer herangezogen. Damit sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Neben der Genugtuung für das Opfer kann eine Entschädigungszahlung auch abschreckende Wirkung haben. Wenn Schaden entstanden ist, muss der Arbeitgeber auch dafür aufkommen (z.B. ein gesundheitlicher Schaden).

      Der Unternehmer hat sich ebenfalls zu verantworten, wenn er trotz Kenntnis über sexuelle Übergriffe keine entsprechenden Maßnahmen getroffen hat. Wiederholen sich die Fälle von sexueller Belästigung und wurde keine Abhilfe durch den Arbeitgeber geschaffen, können die Betroffenen zu ihrem eigenen Schutz ihre Leistung verweigern, ohne auf ihr Arbeitsentgelt verzichten zu müssen. 

      Was Sie wissen sollten: Wer von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen will, sollte sich vorher rechtlich beraten lassen, um die Gefahr arbeitsrechtlicher Konsequenzen abschätzen zu können. Im Fall von Beschwerden bei der Anlaufstelle oder beim Betriebsrat dürfen den betroffenen Mitarbeitern laut AGG keine beruflichen Nachteile entstehen. Das gilt auch für solche Personen, die Betroffene bei der Beschwerde unterstützen oder als Zeugen aussagen. Das gilt für unterstützende Kollegen oder Zeugen genauso. 

      Was kann der Arbeitgeber im Belästigungsfall tun?

      Im Belästigungsfall können Arbeitgeber in Einklang mit dem AGG verschiedene Maßnahmen treffen. Damit sind jedoch verschiedene Bedingungen verbunden, die mit der Schwere des Vorfalls zusammenhängen. Außerdem spielt die Nachweisbarkeit eine Rolle. Die erforderlichen Maßnahmen liegen außerdem im eigenen Ermessensspielraum des Arbeitgebers, müssen jedoch grundsätzlich angemessen sein. Je schwerer die sexuelle Belästigung ausfällt, desto geringer ist dieser Spielraum.

      Als Möglichkeiten stehen neben der Prävention zur Verfügung: 

      • Ermahnung (Rüge ohne eine Androhung einer Kündigung)
      • Umsetzung (Mitarbeiter wird an einen anderen Platz gesetzt)
      • Abmahnung (bei einmaligem Fehlverhalten mit Einsicht, berechtigt in einem zweiten Fall zur Kündigung)

      • Versetzung (Arbeitsplatzwechsel an einen anderen Ort, andere Abteilung)

      • Kündigung (bei schweren Fällen wie körperliche Übergriffe, Beleidigung, Nötigung, Wiederholung)

      Vorher sollten die Arbeitgeber den Vorfall jedoch genau prüfen. Wie das Ergebnis ausfällt, hängt vom jeweiligen Fall ab, allgemeine Aussagen können darüber nicht getroffen werden. Auf jeden Fall muss die sexuelle Belästigung zunächst frei von jedem Zusammenhang festgestellt werden. Anschließend ergeben sich weitere Fragen – was ist passiert? Was wurde gesagt/getan/angedroht? Ist es ein einmaliger Vorfall? Zeigt der Mitarbeiter Einsicht? Ist die Beschuldigung des Betroffenen glaubwürdig? Gibt es Widersprüche? Wenn der Vorfall strafrechtlich relevant ist, liegt ein schwerwiegender Vorfall vor. 

      Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sollten also keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden. Nicht vom Arbeitgeber, der in der Pflicht steht, seine Beschäftigten zu schützen, und selbstverständlich genauso wenig von den Betroffenen. Opfer sollten sich in jedem Fall Hilfe holen und sich entsprechenden Stellen im Unternehmen anvertrauen.

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