Was bedeutet eigentlich „nach Diktat verreist“?
Wenn der Vorgesetzte im Urlaub ist oder der Chef einen wichtigen Außentermin wahrnehmen muss, kann es durchaus vorkommen, dass man als Chefsekretärin oder Sekretär Schriftstücke anfertigt, bei denen eine Unterschrift fehlt. Häufig hat das Sekretariat weitreichende Kompetenzen. Doch bei der Unterzeichnung eines Dokuments kommen immer wieder Unsicherheiten auf.
Bei vielen unterschriebenen E-Mails und Geschäfsbriefen werden sogar rechtlich verbindliche Wirkungen und mögliche Folgen einfach übersehen.
Für solche Fälle ist eine einheitliche Unterschriftenregelung die Lösung. Der Zusatz „nach Diktat verreist“ war lange Zeit eine gängige Erklärung dafür, dass die vorliegende Unterschrift nicht von der Person stammt, mit der eigentlich kommuniziert wird.
Woran das liegt? Oftmals diktiert die Führungskraft der Assistenz die Zeilen, die verfasst werden sollen. Der eigentliche Brief bzw. das finale Schriftstück wird häufig erst im Nachhinein angefertigt. So kann es durchaus vorkommen, dass die Führungskraft bereits „auf Reisen“ ist. In diesem Fall kann der Vorgesetzte das fertige Schriftstück nicht mehr unterzeichnen.
Ein Beispiel:
Müller GmbH
Klaus-Dieter Müller (nach Diktat verreist, f. d. R.)
Frau Anke Bauer
Sekretärin der Geschäftsleitung
Der Ausdruck „nach Diktat verreist“ ist eine Erklärung dafür, dass die Unterschrift von jemand anderem getätigt wurde. Diese Phrase muss durch den Zusatz „für die Richtigkeit“ – f. d. R. – ergänzt werden. Dies drückt keine Bevollmächtigung aus. Vielmehr handelt es sich um einen Zusatz, der besagt, dass der Chef dafür einsteht, dass der versendete Inhalt korrekt ist.
Zudem soll der Passus „nach Diktat verreist“ zeigen, dass es einen Grund für die Abwesenheit des Korrespondenzpartners gibt. Die Phrase stellte lange Zeit die einzige Möglichkeit dar, ein Dokument in der Abwesenheit des Verfassers zu unterschreiben. Aber ist dieser Weg noch zeitgemäß?
Warum Sie „nach Diktat verreist“ vermeiden sollten
Viele jüngere Office-Professionals kennen den Passus „nach Diktat verreist“ nicht mehr. Die Formulierung klingt nicht nur altmodisch, sondern hat auch einen unpersönlichen Beigeschmack. In Zeiten von E-Mail und anderen digitalen Kommunikationstools kommt Briefen, Karten und sonstiger postalischer Korrespondenz eine Sonderstellung zu.
Nicht selten möchten Verfasser eines Briefes den Empfänger überzeugen oder für eine Sache gewinnen. Wenn aber der Schreiber keine Zeit findet, den Brief eigenhändig zu unterzeichnen, zeugt das nicht gerade von Wertschätzung oder Kundenorientierung.
Ein Brief mit dem Zusatz „nach Diktat verreist“ wirkt unpersönlich. Dem Empfänger kommt unwillkürlich die Frage auf: Warum hat es der Verfasser wohl nicht für nötig gehalten, sich die Zeit zu nehmen, selbst zu unterschrieben? Besonders problematisch wird es, wenn sich Briefe mit „nach Diktat verreist“ beim Adressaten häufen.
Unterschrift ein Muss: Was tun bei ausländischen Geschäftspartnern?
Meistens kann eine Sekretärin oder ein Sekretär die Abwesenheit eines Geschäftsführers oder Mitarbeiters schon bei Terminorganisation sehen. So lässt sich vorausschauend planen: Die Führungskraft kann das Schriftstück entweder selbst unterzeichnen oder eine Vollmacht erteilen.
Vor allem bei der Korrespondenz mit ausländischen Geschäftspartnern ist es sehr wichtig, nur Dokumente zu verschicken, die vom Verfasser eigenhändig unterschrieben wurden. Alles andere gilt als respektlos und unangebracht. Zudem existiert in der englischsprachigen Korrespondenz nicht einmal eine Übersetzung für den Ausdruck „nach Diktat verreist“.
Die alternativen Formulierungen zu nach Diktat verreist
Falls es nicht anders geht und es nicht möglich ist, dass der Verfasser selbst unterschreibt, gibt es verschiedene Alternativen. Sie sind weitaus zeitgemäßer und empfängerorientierter als die Formulierung „nach Diktat verreist“.
Unterschriftsvollmacht: i. A. und i. V. im Detail
Die beste und wohl eleganteste Lösung ist es, dass der Vorgesetzte der Assistenzkraft für seine Abwesenheit eine Vollmacht gibt. So kann sie „i. V.“ (in Vollmacht) oder „i. A.“ (im Auftrag) vor die eigene Unterschrift setzen. Beide Abkürzungen zeigen dem Empfänger an, dass eine Vertretung für die Person unterschrieben hat. Zudem wird so erkenntlich, dass die Sekretärin in der Abwesenheit des Vorgesetzten ein kompetenter Ansprechpartner ist.
Zwischen den beiden Unterschriftenzusätzen gibt es aber eine sehr wichtige Unterscheidung in der rechtlichen Wirkung.
- Das Kürzel „i. V.“ dürfen nur bevollmächtigte Personen verwenden. Die Vollmacht wird von der Geschäftsführung oder von einem Vorgesetzten erteilt. Der Inhalt des Briefs oder der E-Mail hat demnach eine rechtlich verbindliche Wirkung.
- Anders bei der Abkürzung „i. A.“: Hier hat der Unterzeichner keine Verantwortung für den Inhalt des Schreibens, sondern fungiert nur als Informationsübermittler. Das Schriftstück begründet demnach kein Rechtsgeschäft.
Aber Achtung: Sie dürfen beide Varianten nur nutzen, wenn Sie auch dazu berechtigt sind. Um mit „in Vollmacht“ unterschreiben zu dürfen, müssen Sie offiziell ermächtigt worden sein. Hierfür ist in vielen Fällen sogar ein Schreiben der Geschäftsleitung nötig. Einige Unternehmen verleihen die „i. V.“ Vollmacht nur, wenn die zuständigen Mitarbeiter vorher eine spezielle Schulung besucht haben.
Auch bei „in Auftrag“ wird eine ausdrückliche Absprache vorausgesetzt.
Ein Beispiel:
Müller GmbH
Klaus-Dieter Müller
i. A. Anke Bauer
Anke Bauer Sekretärin der Geschäftsleitung
Aus diesem Beispiel geht hervor, dass Klaus-Dieter Müller den Brief geschrieben oder diktiert hat. Die Unterschrift stammt allerdings von seiner Sekretärin. Sie hat den Brief in seiner Abwesenheit unterzeichnet.
Egal, um welche Vollmacht es sich handelt: Sowohl i. A. als auch i. V. sind ein Vertrauensbeweis. Das macht sich auch nach außen hin bezahlt. Office-Professionals wirken kompetenter, sodass sie auch in den Augen der Geschäftspartner geeignete Ansprechpartner sind.
Abwesenheit im Brieftext erwähnen
Sofern der Brief wichtige Inhalte enthält, die für den Empfänger von großer Bedeutung sind, ist es ratsam, die Abwesenheit des Schreibers im Text zu erwähnen. So bleiben Sie transparent. Passende Formulierungen, um die Abwesenheit zu erklären, sind:
- Herr XY hat mich gebeten, diesen Brief für ihn zu unterschreiben, da er heute einen wichtigen Termin wahrnehmen muss.
- Frau XY hat mich gebeten, den Brief in ihrer Abwesenheit zu unterzeichnen.
So verhindern Sie, dass es zu Missverständnissen kommt. Zudem entsteht der Eindruck, dass dem Verfasser des Briefs die Korrespondenz wichtig ist. Dies ist eine gute Alternative, wenn Sie keine Vollmacht von Ihrem Vorgesetzten für das Unterzeichnen des Schriftstückes erhalten haben, aber der Brief schnellstmöglich verschickt werden soll.
Tipp: Leerschritt nach Abkürzungen
Generell empfiehlt es sich, übermäßig viele Abkürzungen zu vermeiden. In vielen Fällen stiften Kurzformen Verwirrung und wirken unhöflich. Da aber besonders bei der Unterzeichnung von Dokumenten in Abwesenheit des Verfassers Abkürzungen vonnöten sind, sollten Sie korrekt abkürzen.
Es gilt: Wenn zwei abgekürzte Wörter aufeinanderfolgen, muss zwischen diesen ein Leerschritt stehen. Zum Beispiel wird „z. B.“ abgekürzt, in Vollmacht „i. V.“.
Um zu vermeiden, dass die beiden Buchstaben bei einem Zeilenumbruch getrennt werden, können Sie ein „geschütztes Leerzeichen“ nutzen. Dieses erzeugen Sie bei MS Word, indem Sie Strg + Shift + Leerzeichen drücken.
Exkurs: Der Passus „nach Diktat außer Haus“ der Juristen
Auch bei Rechtsanwälten kommt es nicht selten vor, dass ein Jurist die von ihm diktierten oder geschriebenen Schriftsätze nicht unterzeichnet, sondern ein Kollege dies für ihn übernimmt. In einem solchen Fall wird oftmals die Formulierung „nach Diktat verreist“ oder „für Rechtsanwalt XY“ verwendet.
Sonderfall „nach Diktat verreist“ im juristischen Kontext
Aber Vorsicht: Zum einen signalisiert dieser Passus dem Mandanten, dass scheinbar in großer Eile gearbeitet wird. Der zuständige Rechtsanwalt überlässt den Fall einer Vertretung. Zum anderen können bei der Verwendung von „nach Diktat verreist“ bei juristischen Schriftstücken nachteilige Rechtsfolgen drohen.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit diesem Sachverhalt genau befasst. Bei einer Berufungsbegründung haben verschiedene Angaben und Unterschriften zu deren Unzulässigkeit geführt. Der von einem Rechtsanwalt autorisierte Schriftsatz wurde von ihm nicht unterzeichnet.
Stattdessen folgte der Passus „nach Diktat verreist“ und die Unterschrift einer stellvertretenden Rechtsanwältin, jedoch ohne Namensstempel. Diese führte dazu, dass das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig zurückwies.
Das sollten Sie als Rechtsanwaltsfachangestellte wissen
Der BGH verwies jedoch darauf, dass die stellvertretende Anwältin als Unterbevollmächtigte das Mandat wahrnehmen darf. Durch die Kombination der vollständigen Nennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem Passus „nach Diktat verreist“, wird deutlich, dass die Berufungsbegründung vom erstgenannten Rechtsanwalt erstellt wurde.
Er konnte aber wegen Ortsabwesenheit nicht unterschreiben. Da die Rechtsanwältin neben ihrer Unterschrift auch ihre Berufsbezeichnung angab, war klar ersichtlich, dass sie den Fall übernimmt. Der vertretende Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung den Schriftsatz eigenhändig unterschreibt, übernimmt demnach die Verantwortung für den Inhalt des Schreibens.
Sekretärinnen in juristischen Abteilungen sollten darauf achten, dass im besten Fall ein Namensstempel des vertretenden Anwalts vorliegt. Generell können aber bei der Übernahme der Verantwortung haftungsrechtliche Probleme entstehen. Deshalb ist es immer sinnvoller, auf Zusätze wie „nach Diktat verreist“ zu verzichten. Nicht zuletzt deshalb, weil auch der Mandant den Eindruck gewinnen könnte, dass zu schnell und nachlässig gearbeitet wird.
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Fazit: „Nach Diktat verreist“ besser vermeiden
Der Passus „nach Diktat verreist“ ist mittlerweile kein empfehlenswerter Zusatz mehr, um in Vertretung des Chefs oder der Führungskraft ein Dokument zu unterschreiben. Die Formulierung wirkt nicht nur altmodisch, sondern erweckt beim Empfänger überdies einen unpersönlichen Eindruck. Im juristischen Kontext können mit dem Passus auch haftungsrechtliche Probleme einhergehen. Dies kommt daher, dass die Frage, wer nun die Verantwortung für den Inhalt des Schreibens trägt, in vielen Fällen nicht klar zu beantworten ist.
Eine bessere Alternative ist es, im Vorhinein eine Vollmacht des Schreibers zu erhalten. So kann man Briefe und andere Schriftstücke stellvertretend unterzeichnen. Wenn der Inhalt des Textes jedoch nicht rechtlich bindend sein soll, ist es ratsamer, entweder i. A. zu verwenden oder die Abwesenheit des Verfassers im Brieftext zu erwähnen.
Dieser Beitrag enthält Formulierungsideen von Claudia Marbach.