Die deutsche Sprache und Rechtschreibung kann mitunter schon recht schwieirg sein. Das wissen nicht nur Otto-Normalverbraucher: Auch Grammatikprofis, Übersetzer, die Sprachforschung und andere Experten, die tagtäglich Umgang mit unserer Sprache und insbesondere dem Schriftdeutsch sowie der Schreibung haben, müssen hin und wieder darüber nachdenken, wie die korrekte Schreibweise eines Wortes lautet.
Viele Regeln, komplexe Grammatik
Doch es führt kein Weg daran vorbei, dass sich so gut wie jeder mit den Rechtschreibregeln auseinander setzen muss, ob im privaten Bereich oder im Beruf. Das Beschäftigen mit vielen Regeln, einer komplexen Grammatik und unzähligen Ausnahmen kennzeichnet den Alltag in vielen Unternehmen. Besonders bei Büroangestellten ist eine einwandfreie Schreibweise gefragt, Fehler innerhalb der Korrespondenz machen auf die Geschäftskunden keinen guten Eindruck.
Allerdings ist es nicht immer leicht, die korrekte Schreibweise anzuwenden, das Komma an die richtige Stelle zu setzen oder die passende Zeitform zu benutzen. Die Unsicherheiten sind spätestens mit der jüngsten Rechtschreibreform aus dem Jahr 1996 und deren Reform zehn Jahre später noch einmal angewachsen und haben dazu geführt, dass beim Schreiben noch häufiger das Wörterbuch bemüht wird. Das betrifft besonders die Schreibweise einzelner Wörter und die Getrenntschreibung und Zusammenschreibung von Wortverbindungen.
„wider“ oder „wieder“: Ein Klassiker
Ein Klassiker, der bei der Rechtschreibung regelmäßig für Verwirrung sorgt, ist die kleine, aber feine Unterscheidung der Worte „wider“ und „wieder“. Besonders deutlich wird die unterschiedliche Anwendung dieser Begriffe bei verschiedenen Wortverbindungen: Zum Beispiel bei der Kombination „wider Erwarten“.
Hier sind regelmäßig mehrere Varianten im Umlauf, was die Antwort auf die Frage nach der korrekten Schreibweise erschwert. Um es gleich zu Beginn klarzustellen: Die richtige Form ist: „wider Erwarten“ und nicht „widererwarten“, „wider erwarten“ oder auch nicht „wiedererwarten“. (1. Duden; 2. Wörterbuch der neuen Rechtschreibung)
Richtig ist: „wider Erwarten“
Wer aber weiß, warum „wider Erwarten“ so und nicht anders geschrieben wird und das Prinzip dahinter versteht, gewinnt zweifellos Sicherheit im Umgang mit diesem Begriff. Dass die völlig gleichlautenden Wörter „wider“ und „wieder“ (die in diesem Fall die Vorsilben eines Verbs bilden) sowohl mit –ie als auch mit –i geschrieben werden, hängt zunächst damit zusammen, dass ihnen eine völlig verschiedene Bedeutung zukommt.
Während „wieder“ ein Synonym (ein Wort mit ähnlicher oder gleicher Bedeutung) für die Begriffe „erneut“, „abermals“, „noch einmal“ – darstellt, lässt sich das Wort „wider“ mit dem Begriff „gegen“ übersetzen.
Welche Begriffe sind noch Fallstricke?
Schauen Sie sich die Tabelle mit den wichtigsten Begriffen der Getrennt- und Zusammenschreibung an.
Ein Buchstabe verändert die Bedeutung des Satzes
Einmal ist hier also von einem Adverb die Rede („wieder“ als Verbzusatz), ein anderes Mal von einer Präposition („wider“). Dieses Beispiel zeigt anschaulich, dass es manchmal nur eines einzigen Buchstabens bedarf, um die Bedeutung eines Wortes je nach Schreibung komplett zu verändern. Wer sich des Unterschieds nicht sicher bewusst ist, riskiert eine Verwechslung - oder sogar Entstellung des ganzen Satzes.
Fehler in der Korrespondenz wirken unprofessionell
Im Büroalltag kann das unangenehme Folgen haben. Ganz klar: Es macht sich nicht gut und zeugt von Unprofessionalität, die Begriffe in Mails und Briefen falsch zu verwenden. Beispiele für den Gebrauch beider Wortformen mit unterschiedlicher Bedeutung sind etwa:
„Der Kollege ist schon wieder krank.“ (Der Kollege ist erneut/abermals krank)
„Dank dieses Ereignisses haben wir wieder Zutrauen in die Methode gefasst“. (erneut/nochmals)
„Wider unserer Einschätzung hat der Geschäftspartner den Auftrag angenommen.“ (gegen unsere Einschätzung/anders, als wir eingeschätzt haben…)
„Die Parteien sollten ausführlich über das Für und Wider sprechen.“ (im Sinne von: dafür und dagegen)
Zwischenfazit zu wider und wieder
Bei dem Wörtchen „wieder“ handelt es sich um ein Adverb, das im Sinne einer Wiederholung verwendet wird. Etwas kommt wieder vor, immer wieder oder nur hin und wieder. Der Begriff kann allein oder in Kombination mit anderen Worten zusammengeschrieben werden (wieder herstellen, wiederherstellen). „Wider“ hingegen ist eine Präposition, die für einen Gegensatz steht. (wider den tierischen Ernst)
Häufig verwendete Wortverbindungen mit „wieder“
- wiederkehren
- wiederholen
- wiederkommen
- wiederbegegnen
- wiederbeleben
- wiederbeschaffen
- wiedergewinnen
- wiedererkennen
- wiederbringen
- wiedersehen
- wiederhaben
- wiedereröffnen
- wiedererstatten
Der Begriff „wider“ hingegen bedeutet wie erwähnt „gegen“ oder auch „entgegen/konträr“. In diesem Zusammenhang werden unter anderem diese Wortverbindungen häufig verwendet:
- widerlegen
- widersetzen
- widerstehen
- widersprechen
- widerrufen
- widerspiegeln
Die Regel ist ganz einfach
Die Regeln der Rechtschreibung sind in diesem Fall ganz einfach: Immer dort, wo „wieder“ im Sinne von „erneut“ gebraucht wird, gilt –ie. Dort, wo „gegen“ gemeint ist, wird „wider“ mit einfachem –i geschrieben. Dieser Unterschied ist im Zweifelsfall dadurch zu erkennen, die Worte gedanklich sinnentnehmend auszutauschen:
„Dieser Behauptung möchte ich widersprechen“. (Ich bin dagegen, ich habe eine konträre Meinung)
Im Fall von „wider Erwarten“ liegt die richtige Schreibweise auf der Hand (wider Erwarten: entgegen der Erwartung).
„wider Erwarten“: Stolperfalle Getrenntschreibung und Zusammenschreibung
Doch der Begriff birgt noch weitere Unsicherheiten: Die zweite Stolperfalle, die bei der Schreibung des Begriffs lauert, ist die vermutete Zusammenschreibung bzw. die tatsächliche Getrenntschreibung. „Wider Erwarten“ wird außerdem getrennt geschrieben, weil dieser Begriff übersetzt „entgegen der Erwartung“ oder „im Gegensatz zu den Erwartungen“ bedeutet – hier ist das Substantiv impliziert. Dem Begriff entsprechen zum Beispiel auch die Synonyme „ungeahnt“ oder „unvermutet“.
Substantivierung bedenken
Die dritte Besonderheit, die beachtet werden muss: „Erwarten“ wird aus dem Grund groß geschrieben, weil es sich um eine Substantivierung handelt. Das bedeutet, dass aus einem Verb (erwarten) in diesem Fall ein Substantiv (Erwarten) gemacht wird:
„Wir erwarten ihre Lieferung Anfang kommender Woche“. (Verb)
„Wider Erwarten hat die Ware schon am Mittwoch unser Lager verlassen. (Substantiv: (des) Erwartens)
„widererwartend“ gibt es nicht
Apropos: Immer wieder taucht in der Korrespondenz auch die Variante „widererwartend“ auf. Diese Univerbierung (eine Zusammenfügung von ursprünglich zwei Wörtern zu einem) gibt es laut Duden nicht. Anders hingegen – und nun wird es etwas kompliziert -das Partizip „wiedererwartend“ mit –ie, welches im Sinne von „erneut auf etwas oder jemanden warten“ verwendet wird. Auch dazu ein Beispiel:
„Wiedererwartend Ihre stets pünktliche Lieferung freuen wir uns über ihren Auftrag.“
Deshalb: Die genaue Kenntnis der unterschiedlichen Verwendung beider Begriffe leistet einen Beitrag zur Vermeidung peinlicher orthografischer Fehler. Bei der Unterscheidung von „wider“ und „wieder“ hilft es also, gedanklich alternative Wörter oder Bedeutungen auf den jeweiligen Satz anzuwenden.
Gängige Substantive mit –ie
Wiederholung, Wiederbeschaffung, Wiedergabe, Wiederkäuer, Wiederholung, Wiederherstellung, Wiederverwertbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Wiedereinreise, Wiederverkauf, Wiedervorlage, Wiederinstandsetzung, Wiedereinstieg, Wiedergeburt, Wiederannäherung, Wiederaufrüstung
Gängige Substantive mit –i
Widerhaken, Widerklage, Widerpart, Widerwort, Widerwille, Widersinn, Widerspruch, Widerhall, Widerlegung, Widersacher, Widerklang, Widerspiegelung, Widerspenstigkeit
FAQ: Wider Erwarten
Wie schreibt man „wider Erwarten“?
„Wider Erwarten“ (entgegen der Erwartung, anders als vermutet) wird auseinander geschrieben. Falsche Schreibweisen sind wiedererwarten, widererwarten und wieder Erwarten.
Wann wird wieder mit -ie geschrieben?
Wieder und wider werden zwar gleich ausgesprochen, bedeuten aber etwas ganz anderes. Wieder mit -ie bedeutet so viel wie erneut, noch einmal oder nochmals. Wider mit -i bedeutet gegen, entgegen oder dagegen.
Dieser Beitrag enthält Formulierungsideen von Claudia Marbach.