Kritik am Arbeitsplatz zu äußern ist nicht unbedingt einfach. Dem Vorgesetzten gegenüber scheint es fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, Fehlverhalten oder Probleme anzusprechen. Immerhin stehen möglicherweise der Job und damit die finanzielle Sicherheit auf dem Spiel. Lesen Sie hier, wann Kritik gegenüber der Führungskraft berechtigt ist und wie Sie Ihren Chef so kritisieren, dass möglichst alle Parteien profitieren.
Gründe für Kritik an Chef oder Chefin
Es gibt zahlreiche Anlässe, um Chef oder Chefin zu kritisieren. Führungskräfte nehmen schließlich maßgeblich Einfluss auf Inhalte und Abläufe Ihrer Arbeit. Sie haben eine Vielzahl an Aufgaben wie auch die Mitarbeitenden und können dabei nur schwer allen Ansprüchen und Erwartungen gleichzeitig gerecht werden. Da passiert es schnell, dass auch einmal Fehler unterlaufen, die sich zu Ihrem Nachteil auswirken. In Einzelfällen können Sie darüber sicher hinwegsehen, denn auch Ihre Führungskraft ist nur ein Mensch und damit fehlbar.
Sobald Sie allerdings das Gefühl haben, einem Fehlverhalten des Vorgesetzten systematisch ausgesetzt zu sein, ist eine Äußerung Ihrerseits definitiv angebracht. Gründe, aus denen Angestellte ihren Chef kritisieren sind dabei sehr verschieden. Häufig nennen Mitarbeiter folgende Anlässe:
- der Führungsstil ist nicht an die individuellen Bedürfnisse angepasst
- Unterstützung in fachlicher oder sozialer Hinsicht ist mangelhaft
- die Führungsperson trifft Entscheidungen (Gehaltserhöhung, Beförderung, etc.) in einer benachteiligenden Art und Weise
- der Chef befeuert Konkurrenz, Konflikte und Machtspiele im Büro
Interessant: Um solche und ähnliche Rückmeldungen zu sammeln, hat sich in vielen Unternehmen eine Feedbackkultur etabliert. In regelmäßigen Abständen werden dabei Mitarbeitende zu deren Meinung, zu Problemen und zur allgemeinen Arbeitszufriedenheit befragt. Entsprechendes Feedback wird dann genutzt, um das Miteinander und damit auch die Leistung in einem Unternehmen zu verbessern. Wenn ein entsprechender Zyklus ansteht und ein Kritikpunkt die gesamte Organisation betrifft, so ist das Feedback dort besser aufgehoben.
Wenn Sie allerdings Kritik an einem konkreten Verhalten Ihres Chefs zur Sprache bringen möchten, dann sollten Sie besser das persönliche Gespräch suchen. Der Gesetzgeber ermutigt und schützt Sie sogar dabei.
Gibt es ein Recht dazu, den Chef oder die Chefin zu kritisieren?
Selbst mit der sachlichsten Begründung befürchten Arbeitnehmer, dass Sie eine Kündigung riskieren oder bei Karriere-Entscheidungen benachteiligt werden, wenn sie Chefin oder Chef kritisieren. Diese Angst ist aus zweierlei Gründen ungerechtfertigt: Zum einen erkennen immer mehr Führungskräfte die Vorteile einer offenen Feedbackkultur – auch von Mitarbeitenden an die Führungsperson. Sie erleben, dass die eigene Kritikfähigkeit zur positiven Entwicklung des Unternehmens beiträgt.
Zum anderen ist in § 84 des Betriebsverfassungsgesetzes festgeschrieben, dass Sie keine Benachteiligung erfahren dürfen, nur weil sie Kritik an einem Vorgesetzten geübt haben. Bei gegebenem Anlass sollten Sie also definitiv den Mut fassen und die Kritik aussprechen. Zu bedenken ist dabei: Da in der Regel kein Mensch gerne bemängelt wird, können Sie Ihren Vorgesetzten zunächst immer noch verärgern. Beachten Sie unsere Tipps im Folgenden, so können Sie nach dem ersten Anflug von Ärger aber auf Einsicht hoffen.
Chef oder Chefin kritisieren: So gehen Sie schrittweise vor
Allgemein sollte Kritik vertraulich, sachlich und begründet sein. Das Vorgehen bleibt dabei meist gleich: Zunächst sollten Sie Ihren Gesprächsbedarf gegenüber dem Vorgesetzten verdeutlichen und gemeinsam einen Termin finden. Geben Sie der Führungsperson dabei bereits einen Hinweis auf den Inhalt Ihres Gespräches. Legen Sie sich relevante Punkte mit Argumentation und Beispielen zurecht. Dabei hilft eine sorgfältige Vorbereitung, um nicht nur mit Wissen um Ihre Rechte, sondern auch mit Argumenten und Vorschlägen gewappnet zu sein.
Wenn es so weit ist, heißt es, mit kühlem Kopf an die Sache heranzugehen: Stellen Sie vor Gesprächsbeginn eine vertrauensvolle, ruhige Atmosphäre her. Klären Sie gleich beim ersten Wortwechsel, was Inhalte und Ziele des Termins sein werden. Tragen Sie Ihre Kritik dann unter Einhaltung von Gesprächsregeln und unter Zuhilfenahme von Gesprächstechniken vor. Formulieren Sie am Ende des Gespräches ein gemeinsames (vorläufiges) Fazit. Halten Sie dabei vor allem entwickelte Veränderungs- und Lösungsmöglichkeiten fest.
1. Bereiten Sie sich auf das Kritikgespräch vor
In vielen Situationen ist sie entscheidend – so auch bei Kritikgesprächen: Die Vorbereitung. Beabsichtigen Sie, Chefin oder Chef im Rahmen eines Vier-Augen-Gesprächs zu kritisieren, versuchen Sie zuallererst, sich über relevante Gesprächspunkte klarzuwerden. Was ist Ihr Problem? Welcher Fehler oder welches problematische Verhalten der Führungskraft belastet Sie?
Wenn Sie den relevanten Punk oder die relevanten Themen gefunden und notiert haben, gehen Sie in die Tiefe: Was sind Gründe, aus denen Sie diese Kritik anbringen? Warum gerade jetzt? Geben Sie dabei unbedingt Beispiele. Im Idealfall handelt es sich dabei um Situationen, die sich erst kürzlich ereignet haben und vor allem Sie beide betreffen.
Sobald Sie einen längeren Zeitraum betrachten oder bei Ihrer Argumentation die Meinung anderer Kolleginnen mit einbeziehen laufen Sie Gefahr, zu allgemein und pauschalisierend zu werden. Die Führungskraft verschließt sich in der Folge möglicherweise komplett. Daher gilt: Je konkreter und unmittelbarer Sie kritisieren, desto eher wird der Chef Verständnis zeigen.
Es gilt allerdings nicht nur vorzubereiten, was Sie sagen, sondern auch, welche Formulierungen Sie wählen. Gerade angesichts des Machtgefälles zwischen Ihnen und der vorgesetzten Person ist Nervosität im Kritikgespräch wahrscheinlich. Legen Sie sich in dieser Phase der Vorbereitung daher auch konkrete Worte und Sätze zurecht.
2. Geben Sie Chefin oder Chef eine angemessene Vorbereitungszeit, bevor Sie kritisieren
Es ist nur fair, wenn auch die Chefin bzw. der Chef sich vorbereiten kann, bevor Sie sie/ihn kritisieren. Daher sollten Sie nach einem Gesprächstermin fragen und das Kritikgespräch nicht zwischen Tür und Angel führen. Wenn Sie den Termin vereinbaren, lassen Sie die Vorgesetzen auch wissen, dass Sie Kritikpunkte anbringen möchten.
Die Führungsperson hat somit die Möglichkeit, die letzten Phasen der Zusammenarbeit Revue passieren zu lassen und bereits eine Reflexion des eigenen Verhaltens anzustoßen. Möglicherweise ruft sich die Führungskraft auch einige Methoden zur (gewaltfreien) Kommunikation ins Gedächtnis.
So besteht die Chance, gelassen gegenseitige Argumente zu erörtern, anstatt emotionale Reaktionen zu provozieren. Und auch die Kritikfähigkeit ist höchstwahrscheinlich größer, wenn sich Ihr Chef oder Ihre Chefin mental vorbereiten kann.
3. Erzeugen Sie eine ruhige und vertrauliche Gesprächsatmosphäre
Damit eine Eskalation unwahrscheinlicher bleibt, gilt es, eine angemessene Gesprächsatmosphäre herzustellen. Sie sollten dabei nicht nur ungestört sein, sondern auch genügend Zeit mitbringen. Häufig hilft es außerdem, wenn Sie einen Konferenzraum oder einen anderen neutralen Ort aufsuchen und das Gespräch nicht einfach im Büro des Vorgesetzen führen. Heißgetränke wie Tee oder Kaffee können das Ambiente ebenfalls ein wenig entspannter gestalten. Dasselbe gilt für den Smalltalk zum Gesprächseinstieg.
4. Stellen Sie einen Konsens zu Thema und Ziel des Gespräches her
Nach dem Gesprächseinstieg ist es Zeit, das eigentliche Gesprächsthema anzuschneiden. Im besten Fall beschreiben Sie noch einmal in wenigen Sätzen, was der Gesprächsanlass ist und sagen, was Sie sich von dem gemeinsamen Termin erhoffen.
Geben Sie der Führungskraft hierbei auch das Gefühl der Mitbestimmung. Fragen Sie daher, ob sie/er noch etwas hinzuzufügen hat. Wenn die Basis klar ist, so können Sie Ihre Punkte einzeln vortragen und mit Beispielen belegen. Geben Sie auch hier nach jedem abgeschlossenen Argument die Möglichkeit für eine Stellungnahme auf Seiten der Führungsperson.
5. Orientieren Sie sich an Gesprächsregeln und -techniken
Für die Formulierung von konkreten Sätzen ist ein wenig Wissen über Gesprächsregeln hilfreich. So ist es beispielsweise ratsam, keine Vorwürfe zu äußern oder Schuld zuzuweisen. Stattdessen arbeiten Sie besser mit Ich-Botschaften.
Der Satz „Die Arbeit hier macht mich unzufrieden, weil Sie meine Leistungen nicht angemessen wertschätzen“ kann einfach zu einer Ich-Botschaft umformuliert werden: „Ich bin unzufrieden, weil ich nicht die Anerkennung bekomme, die ich mir für meine Arbeit wünsche“. Diese Umformulierung wird auf deutlich weniger Widerstand und wesentlich mehr Verständnis stoßen, da sie keinen direkten Angriff beinhaltet.
Auch durch spezielle Gesprächstechniken können Sie der Kommunikation von Kritik die Schärfe nehmen. Achten Sie beispielsweise auf Körpersprache, Mimik und anderes nonverbales Verhalten: Verschränkte Arme symbolisieren beispielsweise Ablehnung. Eine geöffnete, aber gefestigte und gerade Haltung zeigen Zugewandtheit und zugleich Selbstbewusstsein.
Wenn Sie Chefin oder Chef kritisieren, sollten Sie natürlich auch Äußerungen zur entgegengebrachten Kritik zulassen. Hören Sie daher aufmerksam zu und drücken Sie Verständnis wie auch Einfühlungsvermögen für die Perspektive der Führungsperson aus. Und auch wenn Sie nicht mit jeder Reaktion hundertprozentig einverstanden sind: Diese Regeln und Techniken helfen Ihnen und auch Ihrem Gesprächspartner, zu jedem Zeitpunkt möglichst ruhig und sachlich zu bleiben.
6. Beenden Sie das Gespräch mit einem lösungsorientierten Ausblick
Ebenso wichtig wie der Einstieg ist auch das Ende eines Feedbackgesprächs. Versuchen Sie gemeinsam die wesentlichen Punkte des Gesprächs zusammenzufassen. Heben Sie dabei vor allem die entwickelten Lösungen oder Verbesserungsmaßnahmen hervor. Gehen Sie diesbezüglich auch noch einmal näher ins Detail: Sind Sie mit den entwickelten Ideen am anfangs formulierten Gesprächsziel angelangt? Können Sie die Problemsituation durch die Umsetzung der festgehaltenen Maßnahmen einvernehmlich lösen?
Praxistipp: Um dem Gesprächsergebnis mehr Verbindlichkeit angedeihen zu lassen, können Sie dieses lösungs- und zukunftsorientierte Fazit auch schriftlich festhalten. Genauso bietet es sich an, einen Folgetermin zu vereinbaren, um die Verwirklichung und den Erfolg der abgeleiteten Schritte zu überprüfen.
Kritik an Chefin oder Chef: Dos und Don’ts
Es gibt konkrete Aussagen oder Handlungen, die sich im Kritikgespräch mit der vorgesetzten Person besonders anbieten oder verbieten. Was Sie tun (Dos) oder besser lassen sollten (Don’ts), wenn Sie Chefin oder Chef kritisieren, haben wir für Sie in der folgenden Übersicht zusammengefasst:
Dos | Don‘ts |
Vier-Augen-Gespräch | vor anderen Mitarbeitern bzw. unter Bezugnahme auf Aussagen von Kollegen |
konstruktiv: mit Verbesserungsvorschlägen und Lösungsideen | destruktiv: ohne Lösungsorientierung |
sachlich: Inhalte, Situationen und Probleme beschreiben | emotional: Gefühle oder Meinungen kundtun und bewerten |
Verhalten des Chefs kritisieren | Chef als Person kritisieren |
auf den Punkt kommen | vom Hundertsten ins Tausendste kommen, Verallgemeinerung |
Gegenfragen stellen, Gegenüber zur Sprache kommen lassen, zuhören | Desinteresse an Gegenposition, Unterbrechen, Monologe |
Worte und Sätze mit Bedacht wählen | impulsive Wortwahl und Satzbildung |
Ich-Botschaften, Vorschläge | Vorwürfe, Anschuldigungen |
ruhiger, professioneller Ton | aufgeregter, hysterischer Ton |
Wertschätzung | persönlicher Angriff |
Übrigens: Diese Dos und Don’ts sind nicht nur im beruflichen Kontext hilfreich. Sie unterstützen Sie auch bei der gewaltfreien Kommunikation im Privaten. Es lohnt sich also definitiv auch über die Arbeitswelt hinaus, wenn Sie sich diese Tipps merken.
Fazit: Chefin oder Chef kritisieren – mit etwas Fingerspitzengefühl ein Erfolg für alle
Gerade wenn Angestellte ihren Chef oder ihre Chefin kritisieren möchten, braucht es Fingerspitzengefühl. Andernfalls kann die Kritik als Angriff aufgefasst und die eigene Karriere gefährdet werden. Auch wenn der Gesetzgeber berufliche Benachteiligung wegen Kritik an der Führungskraft untersagt, ist sie nicht ausgeschlossen. Zudem sollte das Ziel sein, eine möglichst langfristige, harmonische Beziehung zur Führungskraft pflegen – immerhin sehen Sie sich täglich mehrere Stunden. Daher ist es mindestens genauso wichtig wie im Privaten, den richtigen Ton gegenüber Ihren Vorgesetzten anzuschlagen.
Im besten Fall bringen Sie Kritik wertschätzend, sachlich, begründet und konkret an. Spezielle Gesprächsregeln, Gesprächstechniken, Dos und Don’ts helfen Ihnen dabei. Eine sorgfältige Vorbereitung mitsamt zurechtgelegten Argumenten und Vorschlägen sind zielführend für ein positives Ergebnis. Denn: Kritisieren Sie Chefin oder Chef konstruktiv, so kann das nicht nur Ihnen und der Führungsperson helfen, sondern auch auf die Arbeitsqualität und -zufriedenheit der Kollegen im gesamten Unternehmen abstrahlen.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Chef oder Chefin kritisieren
Wann darf ich meinen Chef oder meine Chefin kritisieren?
Wenn Sie sich durch ein Verhalten der Führungsperson systematisch belastet fühlen, besteht die Möglichkeit, ein klärendes Gespräch unter vier Augen einzufordern.
Wie kann ich meinen Chef oder meine Chefin konstruktiv kritisieren?
Sie kritisieren Chefin oder Chef konstruktiv, wenn Sie am Ende des Kritikgesprächs eine gemeinsame Lösung ableiten. Dabei gilt es für beide Seiten, sachlich und wertschätzend zu bleiben. Ferner sollten Sie auf Ich-Botschaften und konkrete Beispiele setzen anstatt auf Vorwürfe und Verallgemeinerungen.