Sie ist einer der Resilienzschlüssel, um Krisen und Stress auch im Job besser zu bewältigen: Was aber ist Selbstwirksamkeit eigentlich genau? Sebastian Mauritz, einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands, erklärt: „Generell ist es das, was uns ins Tun bringt. Die Erwartung, dass ich etwas bewirken kann, lässt uns ins Tun kommen.“
Die Forschung spricht deshalb auch von Selbstwirksamkeitserwartung. Albert Bandura, einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts, wurde mit seinen Arbeiten dazu bekannt. Für Mauritz ist Selbstwirksamkeit der Glaube an die eigene Kraft und in die eigene Fähigkeit, etwas aus dieser Kraft heraus zu bewegen.
„Zweifeln wir daran, etwas bewirken zu können, entwickeln wir gar nicht erst die Kraft dafür, es zu tun. Wir brauchen das Gefühl, erfolgreich sein zu können.“
Fehler machen’s möglich
Das hat weniger damit zu tun, alles richtig zu machen, eher im Gegenteil. „Selbstwirksame Menschen sehen Fehler als Möglichkeit zu lernen und zu wachsen, ein Scheitern als Aufforderung, nochmal zwei Schritte zurückzugehen und neu Anlauf zu nehmen“, beschreibt Fachbuchautor Mauritz die Kraft, die sich aus einer positiven Grundhaltung speist. „So lernen wir und entwickeln uns weiter.“
Ein guter Umgang mit sich selbst gehört also dazu, das bedeutet auch, die eigenen Grenzen zu akzeptieren. Selbstwirksamkeit helfe dabei, Grenzen auszutesten und sich an Hürden heranzuwagen. Denn nur so können diese auch überwunden werden. Genau deshalb kann uns Selbstwirksamkeit nicht nur persönlich, sondern auch im Jobleben weiterhelfen.
Selbstwirksamkeit ist zudem eine Art Schutzfaktor gegen Stress, weil dieser üblicherweise mit dem Gefühl einhergeht, selbst keinen Einfluss auf die Probleme drumherum zu haben. Eine schwach ausgeprägte Selbstwirksamkeit lässt sich bei anderen oft daran erkennen, dass sie sich als Opfer der Umstände sehen. Der PC hat nicht funktioniert, der Lieferant nicht geliefert. „Daraus folgt dann ein Blame Game, die Schuld wird bei anderen gesucht“, skizziert Mauritz den Mangel.
„Selbstwirksamkeit ist einerseits die Überzeugung, dass das eigene Tun Auswirkungen auf die Umwelt hat, damit einher geht aber auch die Überzeugung zur Selbststeuerung“, erklärt Mauritz, Initiator des jährlichen Online-Resilienz-Kongresses. „Mit einer hohen Selbstwirksamkeit können wir unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen regulieren. Wir sind dann kein Opfer der Umstände mehr, sondern selbstbestimmt der Schmied unseres eigenen Glücks.“
Diese Haltung mache die eigenen Ressourcen zugänglich und handlungsfähig unter Stress. „Der Schlüssel, selbstbestimmt und aktiv das eigene Leben zu steuern, liegt im ‚Wie‘. Wie kann es gehen? Wenn Sie die Antwort auf das ‚Wie‘ haben, kommen Sie zur Selbstwirksamkeit.“
Ärger und Stolz als zentrale Emotionen
Dafür müssen wir nicht ständig Sonnenschein verbreiten. Mauritz zufolge stecken in der Selbstwirksamkeit vor allem zwei Emotionen: Ärger und Stolz. Der Hintergrund: „Wenn ich etwas erreichen möchte und es nicht schaffe, bin ich maßgeblich mit der Emotion Ärger konfrontiert“, so der Experte, der an seiner Resilienz-Akademie in Göttingen auch Trainer ausbildet. „Ärger hilft uns beim Erreichen von Zielen, ist also ein Element der Selbstwirksamkeit“. Wenn unsere Selbstwirksamkeit blockiert ist beziehungsweise wir ein Hindernis spüren, hilft uns Ärger dabei, eine Möglichkeit zur Überwindung des Hindernisses zu finden.
Bei der zweiten Emotion handelt es sich um den authentischen Stolz. Was habe ich durch mein Handeln erreicht, auf das ich stolz sein kann? Im Wesentlichen ist dieser Stolz die Freude über die Anstrengungen, zum Beispiel, wie viel Kraft ich in eine Aufgabe investiert habe. Hier kann uns auch die Wertschätzung von Kollegen für unsere Anstrengung und unser Tun in unserer Selbstwirksamkeit bestärken.
Die andere Stolz-Variante übrigens, der hubristische Stolz, funktioniert ichbezogen und ist damit eher hinderlich für die Selbstwirksamkeit. „Denn hier hängen Erfolg und Niederlage von meiner Persönlichkeit oder Identität ab, und das kann ich kaum beeinflussen.“
Wie wir Selbstwirksamkeit einüben können
Albert Bandura nannte in seinem psychologischen Konzept vier Quellen der Selbstwirksamkeit: Eine davon sind die eigenen Erfahrungen. Habe ich eine Herausforderung aus eigener Anstrengung gemeistert, kann das unsere Selbstwirksamkeit ungemein stärken. Aber auch Stellvertreter-Erfahrungen können beflügeln. Wenn die Kollegin das schafft, gelingt mir das auch! Auch Ermutigung hilft dabei – also gerne mal die hadernde Kollegin anstubsen („Das packst du!“).
Emotionale Erregung zählt als vierte Quelle, aus der sich Selbstwirksamkeit speist: Vorfreude zum Beispiel oder Herzklopfen vor der Präsentation. Nun strotzt nicht jeder vor einem Gefühl der Selbstwirksamkeit. Warum ist sie bei uns Menschen so unterschiedlich ausgeprägt? „Ich glaube, ein authentisches und kongruentes Lob von Verhalten bei Kindern ist sehr wichtig. Wenn ich kein realistisches Feedback gebe, prägt sich das Gefühl von Selbstwirksamkeit schlechter aus“, meint Sebastian Mauritz. Auch nehme der negative Fokus auf uns selbst uns unsere Selbstwirksamkeit – und damit unsere Resilienz –, etwa wenn wir uns überwiegend auf unsere Schwächen konzentrieren.
Zum Glück lässt sich Selbstwirksamkeit üben. „Neben dem konstruktiven Umgang mit Fehlern und Scheitern, helfen uns zum Beispiel Zwischenziele, also große Aufgaben in kleine zu übersetzen, ins Tun zu kommen“, empfiehlt Experte Mauritz. Auch ein Tagebuch kann helfen, um abends festzuhalten, was einem tagsüber gut gelungen ist und den Blick für die eigenen Erfolge und Stärken zu schärfen. „Und neben den ganzen To-do-Listen ist auch die Not-to-do-Liste sehr wichtig. Also klären, was ich nicht tun sollte“, hat Sebastian Mauritz noch einen Tipp. „Und eine dritte Liste ist für Selbstwirksamkeit noch wichtig: die Tadaa!-Liste. Was kann ich feiern?“