Wie Sie sich schreibend den eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen nähern und so erfahren, wie ganz persönliches Glück aussieht.
Wie Sie sich schreibend den eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen nähern und so erfahren, wie ganz persönliches Glück aussieht. © okalinichenko/AdobeStock

Wie wir das eigene Glück im Schreiben aufspüren

Wie finden wir heraus, was wir wirklich wollen? Das Schreiben ist eine hilfreiche Methode, tägliche Glücksmomente zu entdecken und langfristig zum eigenen Lebensglück und zur Zufriedenheit zu finden. Inklusive Übungen und Tipps einer Expertin für therapeutisches Schreiben.

Manchmal ist es gar nicht so einfach, ehrlich auf die Frage „Bin ich glücklich?“ zu antworten und im alltäglichen Chaos das eigene Glück im Blick zu behalten. Mitunter verschwindet es hinter To-do-Listen und Alltagssorgen, sodass wir die Orientierung verlieren und nicht mehr wissen, wonach wir das Leben ausrichten sollen. Das fällt nicht unbedingt sofort auf, aber bohrende Unruhe und Unzufriedenheit können uns dazu zwingen, die eigene Ausrichtung zu überprüfen. Dann fragen wir uns: Was macht mich eigentlich glücklich?

Sich schreibend eigenen Zielen nähern

Silke Heimes ist Autorin, Ärztin, Professorin und Poesietherapeutin und begleitet in ihrem Buch „Schreib dich zum Glück" die Suche nach Antworten. Sie lädt ein, sich schreibend den eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen zu nähern und so zu erfahren, wie ganz persönliches Glück aussieht.

Interaktiv und in kleinen Etappen erfahren die Lesenden anhand von 141 Schreibübungen viel über sich selbst und das Glück der kleinen Dinge. Unterstützt werden sie zudem von einem siebenwöchigen Glückstagebuch mit 33 zusätzlichen Schreibübungen, sodass sie ihrem ganz persönlichen Glück am Ende ein Stück näher gekommen sind.

„Bereits das Schreiben über schöne Augenblicke stimuliert unser Gehirn und kann uns glücklich machen“, so Silke Heimes und belegt dies mit einer Studie aus dem Jahr 2014. Um das eigene Glücksempfinden zu erfassen, bietet das Buch einen Test, der vor und nach der Lektüre und den Schreibübungen durchgeführt werden kann.

Was ist eigentlich Glück?

Das Thema Glück lässt sich aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachten und entzieht sich einer einheitlichen Definition: Es ist individuell und abhängig von Lebensalter und -umständen. „Mit fünf Jahren macht uns wahrscheinlich etwas anderes glücklich als mit fünfzig“, so Silke Heimes. Dennoch gebe es Dinge, auf die sich viele einigen können, wie ein sicheres und geborgenes Zuhause, Menschen, die sich um uns kümmern, eine erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit oder ausreichend zu essen. Dazu zählen auch kleine Glücksmomente im Alltag wie der Anblick eines Regenbogens oder Schmetterlings.

Demnach gibt es auch unterschiedliche Formen von Glück: Die Expertin unterscheidet zwischen dem Glück des Augenblicks, dauerhaftem Lebensglück, Zufallsglück, Sinnenglück und Wohlfühlglück, jetzigem und zukünftigem Glück. „Ich stelle mir das Glück wie eine Patchworkdecke vor“, schreibt Silke Heimes. „Je mehr lebendige und glückliche Stoffstücke ich in die Decke nähe, umso bunter und glücklicher wird mein Leben.“

Zudem hänge es von zahlreichen Faktoren ab, unter anderem von unserer Sozialisation. Der Glaube, dass man sich das Glück hart erarbeiten müsse, führe zwangsläufig dazu, dass wir uns immer wieder fragen, ob wir genug für unser Glück getan und ob wir es verdient haben oder ob wir es wert sind, glücklich zu sein. Die gute Nachricht ist jedoch laut der Expertin: Wir alle haben das Glück der Welt verdient, ohne dass wir uns dafür anstrengen oder großartige Leistungen vollbringen müssen.

Das eigene Glück im Schreiben aufspüren

Nur wenn wir eine Idee davon haben, was Glück für uns bedeutet, und ahnen oder wissen, was uns glücklich macht, können wir uns darum bemühen, unser Leben so zu gestalten, dass wir glücklich werden, erklärt die Expertin. Dabei gehe es jedoch nicht darum, alles positiv zu sehen und Schwieriges auszublenden, sondern um ein Sowohl-als-auch, ein Trotzdem und ein Dennoch. „Wir alle erfahren sowohl Glück als auch Unglück und es ist gut, das Glück ebenso in unser Leben zu lassen wie das Unglück, indem wir uns darin üben, gute Augenblicke zu sammeln, um schwere Zeiten besser zu überstehen.“

Um dem eigenen Glück näher zu kommen, empfiehlt Silke Heimes, erst einmal unsortiert und frei zu assoziieren und diese Ideen zu notieren. Schreibend sei es dann auch langfristig möglich, einen guten Überblick zu bekommen und über einen längeren Zeitraum die eigene Entwicklung zu verfolgen. Durch das Schreiben können wir besonders intensiv und nachhaltig beobachten, was uns glücklich mache und wie wir das Leben gestalten können, um den flüchtigen und wandelbaren Charakter des Glücks immer wieder einzufangen und womöglich sogar zu einem dauerhaften Zustand werden zu lassen.

In dem siebenwöchigen Glückstagebuch, das Heimes’ Buch beigefügt ist, lässt sich über diese längere Zeitspanne herausfinden, was uns täglich Glück empfinden lässt, um es im zweiten Schritt mehr und mehr bewusst ins eigene Leben zu integrieren.

Das Glück der Veränderung

Neben philosophischen, psychologischen und gesundheitlichen Perspektiven auf das Thema Glück lädt Silke Heimes in ihrem Buch mit vielen Schreibübungen dazu ein, die eigene Glücksbiografie und die Einstellung zum Glück zu erforschen. Sie fragte außerdem danach, welche Wege zum Glück führen und macht hier vier Qualitäten aus: das Denken und die Sinne, Gewohnheiten und Veränderungen.

Demnach sind Rituale und Gewohnheiten für das eigene Glücksempfinden wichtig. Sie strukturieren die täglichen Abläufe, bieten Orientierung und Halt und schaffen kleine Momente des Wohlbefindens, tragen also maßgeblich zum Alltagsglück bei. Gleichzeitig beleben und inspirieren uns laut der Expertin wohldosierte Veränderungen: „Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass wir so viel Vertrautes aufrechterhalten, dass wir uns sicher fühlen. Zu viele Veränderungen und Neuerungen verunsichern uns eher und machen tendenziell unglücklich.“

Mit jeder Veränderung gehe eine kurze Verunsicherung einher, die unseren Körper in einen aufnahmebereiten Zustand versetzt. Wir nehmen die Dinge wahr und unsere Sinnesorgane melden ihre Eindrücke an unser Gehirn, das die notwendigen Anpassungen vornimmt und uns warnt, sollte etwas gefährlich werden, erklärt Silke Heimes. Dabei werden körpereigene Stoffe wie Adrenalin und Cortisol freigesetzt, die es uns ermöglichen, zahlreiche Informationen in kurzer Zeit zu verarbeiten.

Die Botenstoffe sorgen dafür, dass wir wach, lebendig und bereit für das Leben sind. Nur wenn die Botenstoffe über einen längeren Zeitraum in zu hoher Konzentration ausgeschüttet werden, können sie zum Problem werden und uns schaden. Da unsere Sinne auf die Wahrnehmung von Kontrasten angelegt sind, sei es also hilfreich, sein Glück nicht nur in der bloßen Wiederholung angenehmer Erlebnisse zu suchen, sondern ebenso in der Abwechslung und Variation, empfiehlt die Expertin.

Folgende Fragen können dabei helfen, das eigene Leben zwischen diesen beiden Polen auszutarieren: Wie sieht es mit der Balance zwischen Gewohnheit und Veränderung aus? Welche Gewohnheiten möchte ich behalten? Welche Veränderungen stehen an und wie will ich diese angehen? Silke Heimes beschreibt das Glück der Veränderung so: „Mit dem Unbekannten kann sich eine freudige Überraschung verbinden, die ein Lustgefühl hervorruft und zu Ihrem Glück beiträgt.“